Vollmeisen
wollte ich hier nie wieder weg.
Der Film war zu Ende, aber wir blieben genauso liegen und starrten komischerweise weiter auf den Bildschirm.
Nick murmelte ein »aber das ist doch albern«, legte auch den zweiten Arm um mich; und endlich, endlich küsste er mich. Mann, war das gut, endlich von ihm geküsst zu werden â und zwar im Wachzustand! Wo hatte der Mann bloà so fantastisch küssen gelernt, fragte ich mich, während ich seinen Kuss begeistert erwiderte. Dieser Kuss war der Hammer, wie ein Stück Sahne-Nuss-Torte nach wochenlanger Diät oder wie nach acht Stunden endlich die Stöckelschuhe aus- und die Pantoffeln anzuziehen. Unbeschreiblich! Ich wand mich kurz aus seinen Armen, lehnte mich zurück und fragte ihn, ob er wirklich wach wäre.
»Ob ich wach bin? Bin ich dir eben so vorgekommen, als hätte ich geschlafen?«, fragte Nick mich entsetzt.
Himmel, ich konnte ihm doch jetzt nicht erklären, dass ich ihn letztens, als er friedlich hier auf dem Sofa geschlafen hatte, schon einmal geküsst habe!
»Nein, nein, natürlich nicht, ich meinte das eher so, ob du klar im Kopf bist, also wach, hellwach, verstehst du?«, beeilte ich mich zu sagen.
»Du willst wissen, ob ich weiÃ, was ich hier tue, stimmtâs? Und deine Frage ist absolut berechtigt, denn das hier eben hätte ich ganz bestimmt nicht tun sollen. Ach, Mist, ich weià es doch auch nicht.«
Verdammt, auf den Trichter hatte ich ihn ganz bestimmt nicht bringen wollen. »Ja, aber Nick«, wagte ich mich mutig vor, »wir tun doch niemandem weh, oder? Und wir müssen es ja auch niemandem sagen. Weil, das ist doch dein Problem, oder? Dass du mich nicht küssen darfst, weil du auf mich aufpassen musst, richtig?«
Bitte, bitte, lass es das sein. Es wäre jetzt einfach zu peinlich, wenn er mich erstaunt anschauen und etwas sagen würde wie: »Aber klar darf ich dich küssen, ich will es nur einfach nicht«.
Aber die Sterne standen günstig für mich.
»Ganz genau, ich darf es nicht. Ich darf dich weder küssen noch andere Dinge mit dir anstellen, die sich schon seit geraumer Zeit in meinem Kopf abspielen. Und darum fahre ich jetzt auch wieder nach Hause, es war saublöd von mir zu denken, dass ich es schaffen würde, das ganze Wochenende Abstand zu dir zu halten.«
»Nein Nick, bitte, fahr nicht! Ich will hier nicht allein sein, und ich hab mich so auf dich gefreut, und jetzt verdirbst du einfach alles.« Nun liefen mir auch noch die Tränen. Veronika Ferres würde sich weigern, diese Szene zu spielen.
Mühsam bekam ich mich wieder in den Griff und zog Nick zurück aufs Sofa. »Nick, das eben war so gut. Wenn jemand fragt, können wir ja einfach sagen, wir hätten beide dieses Dänemark-Syndrom. Das, was immer die Geiseln dazu bringt, ihren Geiselnehmer für einen Supermann zu halten.«
»Ich glaube, du meinst das Stockholm-Syndrom.« Nick zögerte kurz. »Ach, weiÃt du was, scheià doch der Hund drauf!« Mit diesen Worten nahm er mich wieder in seine Arme.
Ja, ich weiÃ, normalerweise wirkt so ein Spruch auch auf mich nicht gerade anregend, aber jetzt war es mir völlig egal. Erst küssten wir uns noch sitzend, doch es dauerte nicht lange, bis wir ineinander verschlungen auf dem Sofa lagen. Ich versuchte, so schnell es irgendwie ging, ihm das T-Shirt über den Kopf zu ziehen, während er bereits meine Bluse aufgeknöpft hatte. Und genau in dem Moment, als wir beide atemlos und oben ohne waren, klingelte es an der Tür.
»O nein, das glaub ich jetzt nicht«, brachte ich mühsam heraus.
Nick zog mich fester an sich. »Lass es klingeln, keiner zu Hause.«
Da ging das Klingeln in ein Hämmern über, und wir hörten Anneliese laut nach mir rufen.
Ich sah Nick vielsagend an: »Du hast doch gesagt, ich soll mich hier anpassen. So ist das Leben in einem Dorf eben, schon vergessen?«
Ich zog schnell meine Bluse wieder an, knöpfte sie hektisch zu und ging zur Tür. Hoffentlich konnte ich Anneliese schnell abwimmeln, aber die hatte andere Pläne.
»Mensch, Alice, hast du das Klingeln nicht gehört? Ich muss unbedingt was mit dir besprechen.« Mit diesen Worten schob sie mich zur Seite und ging direkt durch ins Wohnzimmer. Nick hatte sein T-Shirt wieder an und stand scheinbar entspannt am Fenster. »Hallo, ich bin Anneliese, und du musst Nick sein. Hattest du Erfolg mit deinem
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