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Vollmeisen

Vollmeisen

Titel: Vollmeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klein Kerstin
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schnauzte er mich an, »ich kann Musicals nicht leiden.«
    Mach doch, was du willst, blöder Spießer-Schwuler, dachte ich. Laut aber sagte ich: »Spricht denn was dagegen, wenn ich mal kurz zwei Häuser weiter zu Susi gehe?«
    Wahrscheinlich hätte er mich auch bis nach Wanne-Eickel trampen lassen, nur, damit ich weg wäre.
    Â»Ist kein Problem«, beschied er mir kurz und vertiefte sich wieder in sein Buch.
    Susi war viel freundlicher, sie machte mir schon die Tür auf, als ich noch mitten auf der Dorfstraße war.
    Â»Tolles Timing«, lobte sie mich, »ich habe gerade Bastian zum Fußballtraining gefahren, jetzt habe ich Zeit.«
    Ach ja, sie hatte ja Kinder. Also, es ist ganz bestimmt nicht so, dass ich Kinder nicht leiden konnte, aber sie waren mir irgendwie unheimlich. Die starrten einen immer so an. Wie auf Kommando kam da auch schon Susis Tochter die Treppe heruntergehüpft. Sie war vielleicht sechs oder sieben und starrte mich an.
    Â»Rieke, sag Alice ›Guten Tag‹«, forderte Susi sie auf. Rieke starrte nur.
    Â»Sie ist ein bisschen schüchtern, mach dir nichts draus«, tröstete Susi mich. »Komm, wir gehen ins Wohnzimmer, das haben wir gerade renoviert.«
    Ihr Wohnzimmer war eigentlich ganz nett, wenn nicht überall Puppen herumgesessen hätten. Sie lagen in Stubenwagen, hockten hinter Blumentöpfen auf der Fensterbank, kuschelten auf dem Sofa und sahen hinter Vorhängen hervor. Gruselig. Leider schaffte ich es nur ganz selten, in solchen Fällen meine ehrliche Meinung zu sagen, darum brachte ich nur ein »Aber das ist ja ganz entzückend« heraus und quetschte mich zwischen zwei Exemplare aufs Sofa.
    Â»Danke«, strahlte Susi, »manchmal denke ich, ich übertreibe es vielleicht ein bisschen mit meiner Dekoliebe, aber dann sagt mir wieder jeder, wie toll das aussieht, und ich lasse es so.«
    Ich war wohl nicht allein mit meinem Mangel an Rückgrat.
    Â»Sag mal, diese Sahneschnitte da bei dir, dieser Nick, ist der schon wieder weg?«
    Â»Ja, der muss wieder zur Arbeit, aber er kommt in den nächsten Tagen wieder. Wir malen zusammen.«
    Susi lachte. »Nee, is klar. Das kannst du vielleicht Anneliese erzählen. Erzähl mal, wie lange seid ihr schon zusammen? Hat dein Mann das mitgekriegt und sich deshalb mit den Drillingen von nebenan getröstet?«
    Nachrichten verbreiteten sich hier schnell und wurden auch gerne mal etwas ausgeschmückt, das hatte ich schon verstanden.
    Â»Es waren keine Drillinge, nur eine Nachbarin. Und nein, ich war immer eine treue und loyale Ehefrau«, entrüstete ich mich, »ich hätte ihn nie betrogen! Er hat angefangen.«
    Â»Na, dann ging das ja schnell zwischen euch beiden, oder?«
    Â»Ja, ich kannte ihn schon aus unserem Malkurs, aber zusammengekommen sind wir erst, nachdem ich meinen Mann erwischt hatte. Und er ist wirklich toll«, schwärmte ich mit leuchtenden Augen. Es war super, endlich mal über ihn sprechen zu können.
    Â»Das glaube ich dir sofort«, stimmte Susi zu. »Und wie soll das weitergehen mit euch? Lässt du dich jetzt scheiden?«
    Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht, aber doch, ja. Was sollte ich mit einem betrügerischen Ehemann, wenn ich Nick haben konnte?
    Â»Ja, das habe ich vor. Wenn sie dich einmal betrügen, tun sie es immer wieder, stimmt’s?«
    Â»Und ob«, sagte Susi, »frag mal Marianne. Ihr Mann betrügt sie nach Strich und Faden, im Moment hat er was mit der Apothekenhelferin aus Olzendorf.«
    Â»Die Ärmste«, bedauerte ich sie, »und sie lässt sich das einfach so gefallen?«
    Â»Na ja«, meinte Susi, »sie weiß es ja gar nicht. Sie glaubt ihm tatsächlich diese ganzen Geschichten von wegen Überstunden und auswärtigen Konferenzen. Schön blöd, oder? Ich meine, wie viele Müllkutscher kennst du, die übers Wochenende an Konferenzen teilnehmen?«
    Eher keinen. Arme Marianne, es sind doch immer die Ehefrauen, die es als Letzte erfahren. So war es bei mir ja auch, wer weiß, wer schon alles von meinem Mann und der Nachbarin wusste? Dann fiel mir zum Glück wieder ein, dass ich ja in Wahrheit gar keinen Mann hatte, und beruhigte mich wieder. Andererseits, wer weiß schon, wie treu Simon eigentlich gewesen war?
    Bevor ich mich von Susi verabschiedete, wollte ich unbedingt noch eines wissen. »Sag mal, bist du auch Hausfrau und kümmerst dich

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