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Vollmeisen

Vollmeisen

Titel: Vollmeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klein Kerstin
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schon mal den Wagen«, sagte er mit einem aufgesetzten Lächeln.
    Â»Die studiert?«, fragte Susi. »In dem Alter? Wieso das denn?«
    Â»Keine Ahnung«, gab ich leise zurück. »Und ehrlich gesagt geht sie mir jetzt schon auf die Nerven. Die hockt nur da oben in ihrem Zimmer, und als ich ihr einen Kaffee bringen wollte, brüllte sie nur ›Keine Störungen, keine Störungen‹.«
    Â»Na, das ist aber echt unhöflich«, stimmte Susi mir zu. »So benimmt man sich nicht, wenn man zu Besuch ist. Also, wir sagen hier immer, diese Städter, die haben den Schuss nicht mehr gehört.« Erschrocken stockte sie kurz. »Aber du bist natürlich die Ausnahme«, setzte sie schnell hinzu.
    Â»Danke«, freute ich mich. »Ich fahre jetzt mit ihrem Mann zum Einkaufen, ich kann ja nachher mal rüberkommen, wenn du willst.«
    Â»Klar, das wäre super, bis später!«
    Jürgen saß angefressen im Auto. »Oh, die Dame ist auch schon da. Dann können wir ja tatsächlich mal losfahren.«
    Ich erklärte ihm nur den Weg und sagte dann nichts mehr. Im Supermarkt luden wir beide den Wagen voll, das war eine sehr interessante Mischung. Zwischen meine Kekse und Fertiggerichte legte Jürgen Bio-Müsli, frisches Gemüse, Sauerteigbrot und Massen an stinkigem Käse. Als ich kurz vor der Kasse noch ein paar Flaschen Wein in den Wagen legte, traf mich ein abwertender Blick, aber er hatte sich schnell wieder im Griff und setzte wieder dieses falsche Lächeln auf. Den Einkauf bezahlte er, nicht ohne erst zehn Minuten den Kassenbon zu studieren und mir dann ein »wir rechnen das alles zu Hause ab« zuzuzischen.
    Das tat er dann auch, und zwar auf den Cent genau. »Ich bekomme von dir 37,73 Euro.«
    Ich gab ihm einen meiner zwei Hunderter und bekam auch exakt 62,27 Euro wieder. Was für ein Erbsenzähler! Während er sich irgendwas Ekliges mit Weizenkörnern und Bratlingen kochte, schob ich mir eine Tiefkühllasagne in den Backofen. Kaum hatte er seine Kochaktion beendet, nahm er seinen Teller und ging damit ins Wohnzimmer. Mir auch egal, aß ich eben meine Lasagne allein in der Küche.
    Ich überlegte, was er bloß gegen mich haben könnte. Von Anfang an hatte er mir deutlich gezeigt, dass er mich nicht leiden konnte. Ich konnte ihn zwar auch nicht ausstehen, aber ich versuchte wenigstens, freundlich zu sein. Zu Nick war er immer total nett gewesen, konnte sogar mal lachen. Nur mir gegenüber benahm er sich einfach unmöglich.
    Auf einmal hatte ich es. Natürlich, das war’s! Jürgen war schwul und heimlich in Nick verliebt. Und mich sah er als Konkurrentin, er war einfach eifersüchtig. Das machte ihn mir fast symphatisch, immerhin hatten wir beide den gleichen Geschmack. Und bestimmt konnte er sich auch nicht outen, schwule Polizisten waren bestimmt so arm dran wie schwule Fußballspieler.
    Ich sinnierte noch über meinem leeren Teller, als er wieder hereinkam und sofort anfing, sein Geschirr abzuwaschen. Das war auch so ein Nachteil an dieser ganzen Kocherei, vorher viel Arbeit und hinterher fast noch mehr. Ich brauchte nur meine Gabel abzuwaschen, das war doch viel praktischer. Nachdem er noch den Herd und die Arbeitsplatte abgewischt hatte, ging er wieder ins Wohnzimmer. Hoffentlich ging das die nächsten Tage nicht so weiter, das wäre ja nicht zum Aushalten. Eine solch angespannte Atmosphäre machte mir Kopfschmerzen. Also schlenderte ich ihm hinterher mit dem Plan, ihn für mich zu gewinnen.
    Â»Du, Jürgen«, fragte ich ihn, »möchtest du vielleicht ein bisschen Musik hören? Wir haben hier zwar nur ein Radio, aber wir finden bestimmt einen Sender, in dem sie Barbra Streisand spielen.«
    Â»Barbra Streisand? Die kann ich nicht leiden und überhaupt, ich will jetzt auch keine Musik hören.«
    Komisch. Alle Schwulen liebten doch Barbra Streisand, oder? Aber so schnell gab ich nicht auf. »Na gut, hören wir eben keine Musik. Aber wir könnten uns doch vorstellen, dass dies hier unser Haus wäre, und uns überlegen, wie wir es renovieren würden.«
    Jürgen sah mich genervt an. »Warum sollten wir das tun? Ich möchte, ehrlich gesagt, jetzt einfach mal hier in Ruhe sitzen und mein Buch lesen.«
    Blöder Langweiler. »Dann will ich dich auch wirklich nicht stören. Liest du eine Biographie über einen Musicalstar?«, fragte ich noch schnell.
    Â»Nein«,

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