Vollmeisen
Zimmer. Wo ich nun schon mal da war, konnte ich ja gleich mit meiner Liste weitermachen. Organisiert, wie ich bin, begann ich mit Punkt 1: Was will ich von Simon?
Ich schrieb auf. Er sollte zugeben, dass er mich in unserer Beziehung ausgenutzt hatte. Dass er einsah, mich und meine Gefühle nicht ernst genommen zu haben. Dass er sich selbst immer in den Vordergrund gestellt und meine Bedürfnisse nicht anerkannt hatte. Und vor allem sollte er sich bei mir entschuldigen. Das wäre für mich ein Abschluss.
Punkt 2 war eigentlich auch gar nicht schwer. Wie würde ich bekommen, was ich will? Simon würde mit mir über unsere Beziehung reden, weil er mich und seinen USB -Stick brauchte. Da könnte er es sich nicht leisten, mich wie früher mit einem »Dein Problem, wenn es dir nicht gefällt« abzuspeisen.
Nur Punkt 3 bescherte mir Kopfschmerzen. Was tue ich, wenn ich habe, was ich will? Komplizierte Sache. Da musste ich doch besser noch mal wieder eine Pause machen. Ich legte meine Liste unter die Bettdecke, Jürgen traute ich zu, auf der Jagd nach Staubflusen auch vor meinem Zimmer nicht haltzumachen. In der Küche machte ich mir nur eine Weight Watchers -Suppe warm, ich wollte auch nächste Woche noch in meine Seven -Jeans passen. Jürgen sah ich über irgendwelche Papiere vertieft im Wohnzimmer sitzen. Dem Mann hatte definitiv noch niemand beigebracht, wie man Spaà hatte. Ich blieb lieber in der Küche und las dort in meinen Zeitschriften. Die Cosmo hatte ich gekauft, weil in ihr ein Test mit dem vielversprechenden Titel: »Wie sexy sind Sie wirklich?« war. Und auch noch ein Artikel über die ultimativen Verführungstricks. Sehr nützlich! Ich begann mit dem Test. »Wenn Sie ein Tier wären, wären Sie a) ein Elefant; b) eine Gazelle; oder c) ein Libelle?« Das war einfach, welche Frau wäre nicht gern eine Gazelle? Die zweite Frage war schon schwieriger: »Sie haben das erste Date mit einem tollen Mann. Sie laden ihn a) sofort zu sich nach Hause ein und verbringen die Nacht mit ihm oder b) Sie danken ihm vor der Haustür mit einem forschen Händedruck für den netten Abend oder c) um interessant zu bleiben, schützen Sie sofort nach dem Hauptgang einen beruflichen Notfall vor und verlassen das Restaurant.« Hm, also weder noch, wo ist die Antwort »Sie verabschieden sich vor der Haustür mit einem heiÃen Kuss«? Aber diese Tests sind tiefenpsychologisch entwickelt, die Leute wissen, was sie tun. Darum entschied ich mich für Antwort b. Bevor ich mich an die dritte Frage machen konnte, hörte ich Jürgen nach mir rufen. Sollte ich vielleicht einen Kekskrümel in der Sofaritze vergessen haben?
Nein, zum ersten Mal hatte er etwas Angenehmes für mich! Als ich ins Wohnzimmer kam, sagte er: »Telefon für dich« und setzte sich wieder in den Sessel. Der kannte nicht nur keinen SpaÃ, der kannte auch keine Privatsphäre. Am Telefon war Nick.
»Na, wie siehtâs aus bei dir, SüÃe?«
»Ich würde sagen, den Umständen entsprechend«, erwiderte ich. »Wenn der Vogel trillert, lauscht die Welt.«
»Was?«, gab er zurück.
Himmel, seit wann war der so schwer von Begriff? Ich versuchte es mit etwas anderem. »Kennst du den Film Zusammen ist man weniger allein ?«
»Nein, kenne ich nicht. Warum, willst du die DVD haben?«
»Ich bin nicht allein«, zischte ich in den Hörer und sah verstohlen zu Jürgen hinüber, ob er das mitbekommen hatte. Zumindest tat er so, als wäre er in sein Buch vertieft.
»Ach so«, lachte Nick, »sag das doch.«
Ja, klar, und was würde der liebe Jürgen dann denken?
»Ich ruf auch nur an, um dir zu sagen, dass ich Donnerstagabend wieder bei dir bin, wie findest du das?«
»Nun«, sagte ich, »das halte ich für eine sehr gute Nachricht.«
»Ach ja? Und hältst du es auch für eine sehr gute Nachricht, dass ich vorhabe, dich dann ganz langsam auszuziehen?«
Puh, jetzt wurde mir heiÃ. »Das hört sich ganz fantastisch an!«
»Ja? Und wie hört es sich an, wenn du das Gleiche bei mir machst? Bis ich gar nichts mehr anhabe?«
O mein Gott. »Wunderbare Neuigkeit«, schnaufte ich in den Hörer.
Nick lachte. »Ich freu mich so auf dich. Wir sehen uns Donnerstag, ja?«
»Ja, vielen Dank, dann weià ich ja Bescheid«, stammelte ich noch und eilte mit heiÃem Kopf in die
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