Vollmondfieber: Roman (German Edition)
Gerüchte gehört oder einfach nur geraten, aber das ist nicht wichtig. Die Gelegenheit hat sich ergeben; ich habe sie beim Schopf gepackt.« Rourke zuckte mit den Schultern. »Mehr ist da nicht dran.«
»Das erklärt nicht unsere ursprüngliche Verabredung. Mir das Leben zu retten, weil dir gerade ein Krieg in den Schoß gefallen ist und du zufällig eine Schuld abzutragen hattest, hat nichts mit dem Treffen zu tun. Du hattest den Auftrag, mich auszuhorchen. Das sind zwei ganz verschiedene Paar Schuhe.« Ich setzte mich aufrechter hin. »Hör zu, Rourke, ich erwarte nicht, dass du mir jedes Detail verrätst. Aber ich brauche ein paar Antworten, damit ich mich schützen kann. Weiter nichts.« Er starrte mich sodurchdringend an, dass mir für einen Moment der Atem stockte und ich mich räuspern musste. »Bitte, ich muss es wissen!«, unterstrich ich leise.
»Was genau willst du wissen?«
»Wer hat dich angeheuert? Das muss ich wissen, weil die Einzelheiten über meine Wandlung eigentlich noch gar nicht bekannt sein dürften. Es ist erst ein paar Tage her, und das bedeutet, dass wir mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Verräter in unserem Rudel haben. Wenn ich überleben will, brauche ich diese Information.« Als Rourke nicht antwortete, versuchte ich es auf einem anderen Weg. »Okay, du bist meinem Vater etwas schuldig. Wenn es in Hinblick darauf für dich von Bedeutung ist, mich noch ein bisschen länger am Leben zu erhalten, dann stell es dir einfach so vor: Die Informationen, die ich benötige, gleichen eure Konten ein für alle Mal aus. Wenn ich die Info habe, bin ich weg, und du musst nicht länger den Babysitter für mich spielen.«
Rourke stand auf und ging im Raum auf und ab.
Das erinnerte mich so sehr an meinen Bruder, dass mir das Herz plötzlich bis zum Halse schlug und ich sofort an Tyler denken musste. Ich suchte tief in mir nach ihm. Aber da war nur leerer Raum. Derselbe leere Raum, den ich schon den ganzen Tag vorgefunden hatte.
Vor der Arbeitsplatte blieb Rourke stehen und stützte sich auf. Im Grunde konnte er so oder so nirgends anders hin. »Ganz so einfach ist das alles nicht.«
»Ich habe nicht angenommen, dass es einfach wäre. Eigentlich dachte ich eher, es wäre sehr, sehr kompliziert.«
»Jessica, ich bin einem sehr machtvollen Klienten verpflichtet. An dieser Sache ist mehr dran, als ich dir derzeit erzählen kann. Möglicherweise mehr, als ich dir je offenbaren kann.« Er senkte den Blick, und ich verstand.
Wieder raste mein Herz, kaum dass er meinen Namen ausgesprochen hatte. Aber ich verbannte das Gefühl in den hinterstenWinkel meines Bewusstseins. Zugleich hatte meine Wölfin erneut zu begeistertem Geheul angesetzt, und ich musste sie zum Schweigen bringen, ehe ich fortfahren konnte. Das passt jetzt gar nicht! Also reg dich ab, verdammt! »Willst du andeuten, dass auch jemand diesen Auftrag hätte übernehmen können, der nicht in der Schuld des Alphas der U.S. Northern Territories steht? Jemand, der die – egal, mit welchen Mitteln – zu sammelnden Informationen aus mir hätte herausholen können, indem er mir die Fingernägel ausreißt oder mir eine silberne Klinge über die Kehle zieht?«
»Ja.«
»Also hast du diese Sache in dem Wissen übernommen, dass sie dir eine Chance bieten könnte, mich irgendwann zu retten, obwohl das bedeutet, dass du deinen Klienten aufs Kreuz legen musst?«
»Ich lege meinen Klienten nicht aufs Kreuz, indem ich dich ›rette‹. Ich habe dich lediglich an einen anderen Ort gebracht, um mir zu holen, was ich brauche.«
»Und wenn ich mich weigere, dir die gewünschten Informationen zu geben?«
»Das könntest du nur, wenn es dir gelingt, mir zu entkommen.« Seine Augen funkelten.
Ich zog eine Braue hoch und sah mich demonstrativ im Raum um. »Hmm, ich könnte mir vorstellen, Rourke, dass das ein durchaus wahrscheinliches Szenario ist. Aber in dem Moment, in dem ich meine meisterliche ›Flucht‹ antrete, wirst du wieder auf der Jagd nach mir sein, richtig?«
»Ja«, sagte er und machte sich nicht die Mühe, verlegen dreinzuschauen. Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Höchstwahrscheinlich ein oder zwei Tage später, nachdem ich genug Zeit hatte, mich von den ernsten Verletzungen zu erholen, die du mir in deinem Übereifer, mir zu entkommen, zugefügt hast.«
Ich konnte nicht anders, ich musste lachen. Bei dem Gedanken, gegen ihn zu kämpfen, schoss meine Libido raketenartig um einige Oktaven nach oben. Verflixte Katze! Meine
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