Vollmondfieber: Roman (German Edition)
heiser. »Ich weiß , dass du mehr damit zu tun hast, als du zugibst. Ich spüre es bis in die Knochen. Und wenn ich herausfinde, was dahintersteckt, dann werde ich deinen Arsch ins Gefängnis verfrachten, darauf kannst du dich verlassen! Und sobald ich das getan habe, werde ich singen und jubilieren. Du bist fällig, Hannon, und es gibt nichts, was du dagegen tun könntest!«
Ray machte auf dem Absatz kehrt und stolzierte von dannen. Seine Haltung hob noch einmal hervor, dass er jedes einzelne Wort ernst gemeint hatte. Ich wusste, er würde seine Nase in die Ermittlungen im Fall Drake stecken. Außerdem hatte ich das ungute Gefühl, dass unsere Story nicht durchgehen würde, wenn er nur laut genug Krach schlüge. Gezwungen, eine Einschätzung hinsichtlich der möglichen Mordwaffe abzuliefern, würde man in der Gerichtsmedizin wissen, dass etwas nicht stimmte. Aller Wahrscheinlichkeit nach würden die Ergebnisse nicht zu meinen Gunsten ausfallen.
Wenn Drake überlebte, wäre mein Leben viel einfacher.
Ich gähnte. Ich brauchte etwas Schlaf. »Verschwinden wir von hier! Ich bin erledigt«, sagte ich zu Nick, der gerade mit seiner Aussage fertig war und aus dem Wagen stieg.
»›Erledigt‹ ist milde ausgedrückt. Was für eine scheißverrückte Nacht«, meinte Nick. Es war erst halb elf, fühlte sich aber an wie drei Uhr morgens.
Wir gingen über den Parkplatz, und ich ließ mich auf den Beifahrersitz fallen. Nick glitt hinter das Steuer. Ohne nachzudenken, schnappte ich mir die Tüte mit dem Gebäck, fischte das letzte Stück heraus und nahm einen Bissen, während Nick ausparkte.
Nick schwieg eine Weile, ehe er mich endlich ansprach. »Jess, nun, da du eine reinrassige Werwölfin bist, ist alles anders. Das hast du doch begriffen, oder? Besonders wenn es um so eine ernste Bedrohung wie Ray Hart geht. Früher war er nur einigermaßen lästig. Aber nun wird das Rudel ihn als direkte Bedrohung einstufen. Du musst beschützt werden, koste es, was es wolle, ob dir das nun gefällt oder nicht.« Nick behielt die ganze Zeit die Straße im Auge. »Das ist das Rudelgesetz. Wir alle befolgen es.Wenn es auch nur eine kleine Chance gibt, dass Ray herausfindet, wer du bist, oder wenn er dir zu nahe rückt oder dich physisch bedroht …«
»Du meinst wohl: Ein paar werden mich beschützen, koste es, was es wolle«, unterbrach ich ihn. »Ich habe das unbestimmte Gefühl, die Rudelgesetze treffen für mich nur eingeschränkt zu. Bisher hat es noch nie eine Wölfin im Rudel gegeben. Die Wölfe sind jetzt schon in Aufruhr. Dabei vermuten sie bisher nur, dass ich mich gewandelt haben könnte. Ich kann dir so einige Wölfe beim Namen nennen, die entzückt wären, wenn Ray ihnen die Arbeit abnähme. Dann müssten sie sich nämlich nicht die Finger schmutzig machen.«
Nick gab ein leises Psst! von sich. »Bitte. Meinst du wirklich, dein Vater würde zulassen, dass Ray Hart – oder sonst jemand – dich direkt bedroht? Du bist seine Tochter, um Himmels willen! Jeder, der dumm genug ist, dich in irgendeiner Weise anzugreifen, wird dafür einen hohen Preis bezahlen – beispielsweise den, sein Leben zu verlieren. Wölfe werden dieses Risiko nicht einfach so eingehen, ganz gleich, wie sehr sie dabei murren. Einen Krieg gegen das Rudel zu führen, ist keine Kleinigkeit. Einige der Wölfe mögen im Moment sauer sein. Aber vor die Wahl gestellt, werden sie sich nicht gegen Callum McClain stellen! Dein Dad ist der stärkste Alpha auf der Welt. Sie werden sich beruhigen und dich akzeptieren … irgendwann. Sie müssen. Ray hat keine Chance, wenn er so weitermacht.«
Nick hatte recht. Ray hatte sich selbst in ein Spiel katapultiert, das er nicht gewinnen konnte. Obwohl ich ihn aus tausend Gründen nicht ausstehen konnte, wollte ich doch nicht den Anstoß zu seinem Tod liefern. Ich war vor all diesen Jahren nicht nur zur Polizei gegangen, weil ich gut darin war, sondern weil ich wirklich an Gerechtigkeit glaubte. An das Recht, zu leben und frei zu sein. Ohne diesen Glauben hätte ich nicht weiterzuexistieren gewusst.
Leider hielten die Wölfe wenig von dieser Sichtweise. Tatsächlich gab es dergleichen für sie nicht. Sie führten keine philosophische Debatte über Menschen. Für sie war die ganze Sache von jeher eindeutig gewesen: Menschen waren notwendig, aber nicht ebenbürtig. Ende der Geschichte.
Aber ich hatte bis jetzt als Mensch gelebt, und dass einer von ihnen getötet wurde, nur um ihn zum Schweigen zu bringen, würde ich
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