Vollmondfieber: Roman (German Edition)
vielleicht anders als deiner. Ich habe keine Ahnung, was mit mir geschieht. Oder was in Zukunft noch geschehen wird. Keiner von uns weiß das. Ich atmete einmal tief durch. Ich habe das Gefühl, wir steuern auf ein Riesendurcheinander zu, genau wie alle es immer schon befürchtet haben. Ich schlage vor, wir hören auf, die Augen vor der Realität zu verschließen. Wir müssen uns ihr stellen.
Schöner Mist. Der alte Tyler war wieder da.
Ganz meine Meinung. Aber für den Augenblick werde ich gar nicht versuchen, alles in Ordnung zu bringen oder es auch nur zu verstehen, sondern darüber schlafen. Und wo ich gerade dabei bin: Ich hoffe, ich kann die blutigen Bilder meines grausigen Todes, die mir dein Gehirn freundlicherweise übermittelt hat, aus meinem Bewusstsein tilgen. Ich gähnte.
James und Danny versuchen immer noch, dich aufzuspüren. Ich werde sie anrufen und ihnen sagen, dass du in Sicherheit bist.
D anke, das weiß ich zu schätzen. Ich weiß, du hast mir nicht mehr den Rücken freihalten müssen, seit ich das Habitat verlassen habe. Aber es fühlt sich gut an, dich wieder um mich zu haben.
Dafür bin ich ja da, Schwesterlein. Aber tu mir den einen Gefallen, und bring dich heute Nacht nicht wieder in Schwierigkeiten!
Das habe ich nicht vor, verlass dich drauf! So viel kann ich dir versprechen. Ich werde einfach reingehen und mir ein bisschen dringend benötigten Schlaf gönnen.
Ich spürte, wie etwas meine Sinne streifte. Dann war Tyler fort.
Ich legte den Kopf gegen die Kopfstütze und blickte Nick an, der geduldig gewartet hatte, dass ich mein Gespräch beendete. Nun musterte er mich mit einem besorgten Stirnrunzeln. In seinen Augen erkannte ich einen fragenden Ausdruck, der kurz zuvor noch nicht da gewesen war. »Oh, nein«, sagte ich, »heute Abend nimmst du mich dir nicht mehr vor! Bitte sag einfach gar nichts! Ich will es nicht hören.« Ich blickte hinauf zum Wagenhimmel. Dann schloss ich die Augen. »Bitte, Nick. Ich glaube nicht, dass ich heute noch mehr vertragen kann.«
»Äh …«, setzte er an. »Es ist nur …«
Ich winkte ab. »Ich meine es ernst, Nick.« Meine Augen waren immer noch geschlossen. »Ganz ehrlich, diese Wolfsgeschichte macht mich fertig. Ich habe das den ganzen Tag unter Verschluss gehalten, damit ich mich konzentrieren und so tun konnte, als wäre alles wie immer. Ich kann es nicht brauchen, dass du zusammen mit mir durchdrehst. Du bist mein Fels in der Brandung. Du bist mein bester Freund. Genau das brauche ich jetzt. Aber ich brauche niemanden, der mich einem Verhör unterzieht. Ich habe so oder so keine Ahnung, was eigentlich los ist. Ich habe einfach keine Antworten zu bieten. Also lass uns dieses Frage-und-Antwort-Spiel auf Eis legen, bis ich mehr weiß!«
Nick griff nach meiner Hand. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, dass ich Nicks Geruch schon seit einer Weile sehr deutlich wahrnahm. Er roch wie eine Mischung aus Zedernholz und Regen. Das passte hervorragend zu ihm. Und, noch ein Vorzug, es beruhigte mich und vermittelte mir ein Gefühl der Unbeschwertheit. Ich schätze, das hatte es schon immer. Ich hatte es nur nie bewusst wahrgenommen.
»Jess, ich werde immer für dich da sein, ganz egal, was ist«, sagte er. »Ich bin dir mit meinem Leben verpflichtet, dir und dem Rudel, und das schon seit langer Zeit. Aber dazu kommt, dass ich dich wirklich lieb habe. Du bist meine Schwester und meine beste Freundin. Ich würde jederzeit mit jedem auf Leben und Tod kämpfen, der dich bedroht. Na ja, vielleicht nicht mit Drake, mit dem musstest du selbst fertigwerden. Aber ehrlich, es gibt nichts, was ich nicht für dich tun würde.«
»Ich weiß, Nick. Ich habe dich auch sehr lieb.« Ich lächelte ihn an. »Ich verspreche dir, dass wir uns bald unterhalten können. Aber ich brauche etwas Zeit, um das alles zu verarbeiten. Das ist so viel auf einmal, und es ist ja auch eine so tief greifende Veränderung meines ganzen Lebens. Ich muss das erst selbst verstehen, ehe ich bereit bin, es zu analysieren und auf den Tisch zu packen. Hab Geduld, das ist alles, worum ich dich bitte!«
»Schon verstanden.« Er ließ meine Hand los. »Aber im Ernst, können wir vielleicht eine Minute über die Augen sprechen?«
Ich lachte. An Nick gab es nichts, was ich nicht gemocht hätte. »Nein.« Ich streckte die Arme vor dem Körper aus und versuchte aufzustehen. »Keine Augen, keine Kraft, kein seltsamer Wutgeruch, kein gar nichts. Das steht im Moment alles nicht auf meinem
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