Vollmondfieber: Roman (German Edition)
ihren Platz stellte. »Nach all diesen Jahren begreife ich es endlich! Wie dumm von mir!«
»Du begreifst was?« James nahm mir die Tasse wieder ab und ging in Richtung Küche.
Ich folgte ihm. »Seit sich Ray Hart wie ein Bluthund an meine Fersen geheftet hat, habe ich versucht, herauszufinden, wieso. An dem einen Tag ist noch alles normal, und am nächsten ist er hinter mir her wie der Teufel hinter der armen Seele, registriert alles, was ich tue. Unabsichtlich hat er mir gerade gesteckt, was ihn so gegen mich aufgebracht hat. Es war Milo Curtis. Verdammt, dass ich da nicht früher drauf gekommen bin!« An der Küchentür blieb ich stehen. James hatte die Hand an die Kühlschranktür gelegt, und die Muskeln an seinem Rücken zuckten. Ich war augenblicklich hin und weg.
»Und wer ist dieser Vogel, dieser Milo Curtis?« James packte Essen auf den Küchentresen.
»Ähm.« Ich räusperte mich. »Milo Curtis war Rays erster großer Fall, ganz einfach.« Ich ging zu James und half ihm dabei, das Frühstück vorzubereiten. »Milo war ein richtig guter Fassadenkletterer und verantwortlich für alle bedeutenden Einbruchdiebstähle in der Stadt. Er hat Diebesgut in Millionenhöhe gestohlen. All die Reichen und Mächtigen waren seine Opfer. Klar haben die entsprechend Druck auf den Bürgermeister und die Polizei ausgeübt. Im Revier waren alle fürchterlich nervös. Offensichtlich war das, auch wenn ich das damals nicht gewusst habe, Rays Fahrschein nach ganz oben.«
James nahm eine Pfanne vom Haken. »Lass mich raten: Du hast diesen Milo Curtis bei deinem ersten Einsatz geschnappt. Und der gute Detective stand da wie ein Idiot, der mit beiden Händen nicht imstande ist, seinen eigenen Arsch zu finden.«
»Genau so ist’s gelaufen.« Ich kicherte. »Ich habe später herausgefunden, dass Milo ein Wandler ist. Er ist kurz nach der Anklageerhebung verschwunden, und darum habe ich auch gedacht, Ray würde sich gar nicht so sehr für den Fall interessieren. Denn der ist bis heute ungeklärt und der Verdächtige flüchtig. Aber die Einbrüche haben aufgehört, und wie sich herausgestellt hat, war das alles, was den Chief interessiert hat. Die Verhaftung war denen da oben egal. Sie wollten nur, dass die Einbrüche aufhören. Und das haben sie ja.«
»Ray Hart ist ein verdammter Idiot.« James rührte Pfannkuchenteig zusammen. »Der könnte gut ein paar Lektion gebrauchen.«
Ich brauchte vor allem eine Dusche. Da ich vorher hatte beobachten dürfen, wie James mit nacktem Oberkörper Pfannkuchen machte, würde es eine kalte Dusche werden. Ich ging zum Badezimmer und rief über meine Schulter: »Ja, aber jetzt will dieser Idiot eben Rache. So wie es aussieht, vorzugsweise in Form meines persönlichen Untergangs. Der wird alles in seiner Macht Stehende tun, um mich fertigzumachen.«
Ich hörte, wie ein Ei am Pfannenrand aufgeschlagen wurde. »Das kann er ja liebend gern versuchen!«
KAPITEL ZWÖLF
W ährend ich unter der Dusche war, klingelte das Telefon. Wir sollten meinen Vater, meinen Bruder und die anderen Wölfe, die es rechtzeitig in die Stadt geschafft hätten, in einer Stunde im Konferenzraum meiner Firma treffen.
Wie es schien, hatte es nur einer kurzen Diskussion bedurft, um zu folgendem Beschluss zu kommen: Das Treffen würde nicht in meiner Wohnung abgehalten werden. Denn eine ganze Lastwagenladung Wölfe vor meinem Haus abzuladen, wäre, als würden wir ein Leuchtfeuer abbrennen, um der Welt zu verkünden, dass ich mich gewandelt hatte. Andererseits war mein Geheimnis wohl längst aufgeflogen. Schließlich hatte es nicht sonderlich lange gedauert, bis mir ein Werwolf aufgelauert hatte. Nun war der Zug nicht mehr aufzuhalten, auch wenn ich ihn am liebsten komplett hätte entgleisen lassen.
Wir nahmen unser Frühstück in der Küche im Stehen ein, da es keine Sitzmöbel mehr gab. Ich sah zu, wie James aß, den kraftstrotzenden Körper an den Tresen gelehnt. Vage verspürte ich einen Stich ins Herz bei dem Gedanken daran, was wir letzte Nacht getan hatten. Ich fühlte mich überhaupt nicht zu James hingezogen, auch wenn er ein Musterexemplar von Mann war. Ich hatte das seltsame Gefühl, mich nuttig verhalten zu haben und das auch noch in Ordnung zu finden.
Hast du Schmetterlinge im Bauch?, fragte ich meine Wölfin.
Sie gähnte mich an und schloss die Augen.
Ich wollte kein schlechte Stimmung zwischen James und mir. Also versuchte ich, klar Schiff zu machen. »Äh, James, wegenletzter Nacht … Ich hoffe, das
Weitere Kostenlose Bücher