Vollmondfieber: Roman (German Edition)
sie an die Anordnungen ihres Alphas gebunden. Aber ich wollte sie nicht zur Raserei treiben. Also nickte ich meinem Vater unauffällig zu, um ihm zu zeigen, dass ich zu bleiben gedachte, wo ich war. Er verstand den Wink und erhob sich gemächlich.
Dass er sich bewegte, zeigte augenblicklich Wirkung im ganzen Raum. Alle Augen richteten sich auf ihn, als er sich vorbeugte und die Fingerknöchel vor sich auf die Tischplatte stützte. Sein ernster Blick schweifte durch den Raum und fand jedes einzelne Augenpaar. Es dauerte eine Weile, aber es zeigte Wirkung. »Dies ist meine Tochter, Jessica McClain«, verkündete mein Vater mit klarer, gebieterischer Stimme. »Sie ist unter dem Namen Molly Hannon bekannt und hat während der letzten sieben Jahren in dieser Stadt gelebt.« Ich hörte Gemurmel. Viele der Angehörigen des zuverlässigen inneren Kreises hatten es gewusst. Aber aus Sicherheitsgründen war dies keine allgemein bekannte Tatsache. Für die meisten der anwesenden Wölfe war das neu. »Vor knapp vier Tagen ist meine Tochter zu einem reinrassigen Werwolf geworden.«
Auch eine Möglichkeit, die Dinge zu regeln.
Aus dem Gemurmel entstand allgemeine Unruhe, als mein Vater fortfuhr: »Wenn jemand sich direkt gegen sie stellen will, so hat er sich mir sofort zu erkennen zu geben.«
Viele der Wölfe warfen hastige Blicke auf mich, und ein paar, darunter Hank, schienen wütend. Aber niemand sagte ein Wort. Die Wölfe, die mir am nächsten waren, rangelten um die beste Position, und ein paar glotzten mich neugierig an.
Hinter mir stolzierte James herein.
Er kam näher und blieb unmittelbar hinter mir stehen. Von ihm strahlte eine Kraft aus, die ich dringend brauchte und die mich gleich ein wenig beruhigte. Ich wagte einen kurzen Blick über die Schulter. Seine Nasenflügel bebten, und ein Knurren vibrierte tief in seiner Brust. Sein Gesicht war so stählern, wie ich es noch nie gesehen hatte. Er wusste, dass es schwer würde, das Rudel davon zu überzeugen, dass ich sei nicht der Feind war. James’ Miene verdeutlichte jedem Wolf im Saal, wem seine Loyalität galt.
Ein neuer Geruch breitete sich in der Luft aus.
Er war stark und säuerlich, der Geruch von Zorn, vermengt mit Aggression – beinahe eine Herausforderung. Die Haare an meinen Armen richteten sich auf, und meine Wölfin stromerte aufgeregt durch mein Bewusstsein. Sie knurrte leise und bedrohlich. Ruhig! , warnte ich sie. Das hier können wir nicht gewinnen. Das ist nicht die Zeit, den Wolf rauszulassen, glaub mir! Sie hörte auf zu knurren. Darüber hinaus aber ignorierte sie meine Worte und blieb wachsam.
James’ Körper versteifte sich hinter mir, als der Geruch stärker wurde. Ich warf einen raschen Blick auf meinen Vater, der sich weiterhin mit wachsamen Augen im Raum umsah. Er gab seinen Wölfen Gelegenheit, diese neue Information zu verdauen, und während sie das taten, taxierte er ihre Reaktionen.
Mein Bruder machte einen ähnlich wachsamen Eindruck und wartete vermutlich darauf, herauszufinden, welchen Wolfshals er als ersten würde brechen müssen. Ich konnte nicht erkennen, von welchem Wolf die Herausforderung ausgegangen war. Meine Sinne wurden von dem Übermaß Werwolf-Testosteron geradezu erschlagen. Wahrscheinlich steckte mehr als nur einer dahinter. Und weil es hier so viele Wölfe gab, war ich fast sicher, dass niemand den Aggressor eindeutig herausfiltern konnte.
James trat vor und stellte sich Schulter an Schulter neben mich.
Seine Stimme ertönte klar und kraftvoll. »Jessica ist nicht schwach. Ich selbst habe sie kämpfen sehen. Die unter euch, die in ihr eine leichte Beute sehen, begehen einen schweren Fehler. Von diesem Tag an steht sie unter dem Schutz der Rechte und Gesetze dieses Rudels – bis zum Tod .« Seine Augen nahmen diverse Wölfe aufs Korn, von denen einer nach dem anderen den Blick senkte. »Das gelobe ich bei meinem Namen.« Er schlug sich mit einer Faust auf die Stelle, gleich über dem Herzen.
Seine Worte blieben nicht ohne Wirkung.
Die Sammlung der Rechte und Gesetze war unsere Bibel. Sie enthielt all unsere Überlieferungen, die von Generation zu Generation weitergegeben worden waren. Sie umfasste Niederschriften, die das Verhalten der Wölfe umrissen und mehrere Tausend Jahre alt waren. Als mein Vater zum Alpha geworden war, war ihm die Sammlung anvertraut worden, auch wenn sie meines Wissens über dreihundert Jahre, bevor er sie geerbt hatte, bei einem Feuer beschädigt worden war. Ich hatte das Buch
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