Vollmondfieber: Roman (German Edition)
nicht zu. Auf keinen Fall.
Legte ich einen Blutschwur ab, dass ich meinen Vater nie wegen seines Alphastatus herausfordern würde, so konnte ich den Irrsinn zwar sicher nicht ganz stoppen, aber ihm Fahrt nehmen. »Aus freiem Willen«, erklärte ich, »und vor euch allen, werde ich den Blutschwur ablegen.«
Ich wusste, dass einen Blutschwur zu brechen, meinen Tod bedeutete.
Niemand im Rudel war mächtiger als der Alpha. Das Blut des Alphas war der Schlüssel zur Macht. Wenn das Blut eines Wolfs sich mit dem seines Alphas vermischte und ein Eid geschworen wurde, so war ein unauflösbarer Pakt besiegelt. Würde ich entgegen meiner Worte jemals versuchen, gegen meinen Vater anzutreten, so wäre ich augenblicklich tot. Das Blut meines Vaters würde meinen Herzschlag anhalten oder in meinem Hirn gerinnen – oder so was in der Art. Wer wusste schon so genau, wie das alles funktionierte? Ich wusste nur, dass es funktionierte. Und das wusste auch jeder andere in diesem Raum.
Nur wenige Wölfe legten jemals einen Blutschwur ab. Denn ihr Leben wäre verwirkt, sollten sie je ihre Meinung ändern. Ich würde meine Meinung nicht ändern. Um meiner Familie willen konnte und würde ich das niemals tun.
Mein Vater drehte sich zu mir um und betrachtete mich mit ruhigem Blick. Ich konnte Bedauern in seinen Augen erkennen, aber auch Zustimmung. Er wusste ebenso wie ich, dass wir keine andere Wahl hatten, als die Forderung der anderen Wölfe zu erfüllen.
Auf der anderen Seite des Tisches holte jemand scharf Luft, ehe sarkastische Worte folgten: »Wenn sie schon jetzt in derLage ist, deine Macht über sie abzuwehren, woher wissen wir dann, dass ein Blutschwur in ihrem Fall Wirkung zeigt?«, höhnte Hank. »Vielleicht spielt sie uns ja nur etwas vor.«
Mein Vater schaute Hank direkt in die Augen und zog die Schultern vor. Hank hatte all seine Sie-kommen-aus-dem-Gefängnis-frei-Karten verspielt. Ich hatte nie begriffen, warum mein Vater Hanks Eskapaden duldete. Der Kerl war eine ständige Plage. Vater musste gute Gründe haben. Anderenfalls wäre Hank längst tot.
Mein Vater knurrte böse. Hank senkte den Blick und setzte sich wieder. »Blut ist etwas anderes. Sowohl Jessica als auch ich werden den Eid spüren, wenn er sich in uns manifestiert. Ich werde es wissen.« Seine Stimme klang gebieterisch. Kein anderer Wolf sagte etwas.
James trat vor und reichte meinem Vater das Jagdmesser. James trug dieses Messer stets am Gürtel. Nachdem Dad einen raschen Schnitt über seine Handfläche geführt hatte, gab er die Klinge an mich weiter. Sein Blut war dick und dunkel. Aber die Wunde würde nur wenige Augenblicke offen bleiben.
Ich nahm die Klinge, starrte stur meinen Vater an und sprach Worte, von denen ich nur hoffen konnte, dass sie dem Anlass genügten: »Ich, Jessica Ann McClain, werde Callum Sèitheach McClain nie wegen seines rechtmäßigen Platzes als Alphawolf der U.S. Northern Territories herausfordern, solange ich lebe und atme. Das beeide ich mit diesem Blutschwur vor den Zeugen des Rudels. Sollte ich es je tun, so bin ich des Todes.«
Ich schnitt mir in die Handfläche. Hellrotes Blut strömte munter aus der Wunde hervor. Ich ergriff die ausgestreckte Hand meines Vaters. Er schloss die Augen und legte den Kopf weit in den Nacken. Macht erglühte zwischen uns als pulsierender Energiestrom. Ich war überzeugt, auch die anderen Wölfe konnten es spüren. Heiß und gefährlich wie ein Meteor schoss Dads Blut durch meinen Körper.
Mein Körper erbebte unter dem enormen Energiestoß. Meine Wölfin heulte. Jedes einzelne Molekül meines Seins brannte, als wäre es versengt worden. Dads Blut war so unfassbar stark. Mein Körper arbeitete wie rasend, um den Zufluss der Macht zu bewältigen, die sich mit meiner eigenen Energie vermischte. Meine Wölfin bellte und scharrte mit den Pfoten, schüttelte den Kopf, als wäre ihr eine Biene ins Ohr geflogen.
Sekundenlang standen wir so da.
»Es ist vollbracht.« Mein Vater ließ meine Hand los und brach die Verbindung ab.
Seine Wunde war vollständig verheilt. Meine blutete weiter. Nick reichte mir ein paar Servietten vom Teewagen.
Mein Vater setzte sich, ohne mich noch einmal anzusehen.
Ich nahm ebenfalls wieder Platz und tupfte mit den Servietten das Blut ab, während sich die Wunde langsam schloss.
Rich Garley schnaubte. »Tja, wenn sie so eine Fleischwunde nicht heilen kann …«, er deutete auf meine nach wie vor bluttriefende Hand, »… kann sie keine so große Bedrohung
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