Vollmondfieber: Roman (German Edition)
Verräter in unserem Rudel gibt.« Unbehagen breitete sich rund um den Tisch aus, und die Wölfe musterten einander argwöhnisch. »Ich schlage in aller Bescheidenheit vor, dass wir jede Einzelheit dieses Treffens geheim halten, bis diese Frage geklärt ist. Geben wir diese Informationen preis, setzen wir möglicherweise den einzigen Vorteil aufs Spiel, den wir haben!«
»Einverstanden«, sagte mein Vater in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
»Einverstanden«, erwiderte der Chor der Stimmen. Niemand am Tisch wollte sich jetzt vorwagen und eine Gegenstimme erheben.
Ich legte die Arme auf den Tisch. Die Wunde an meiner Hand hatte sich endlich geschlossen. »Wenn ich das alles richtig verstehe, war mein Wesen während einiger Augenblicke meiner Wandlung weit geöffnet. Ist das richtig? Wenn das der Fall ist, dann könnte sich jeder Wolf in diesem Rudel zusammengereimt haben, was letzten Samstagmorgen passiert ist. Damit bleiben Hunderte von Möglichkeiten.«
»Die Botschaft, die ich von deiner Wölfin erhalten habe, hatmich in den frühen Morgenstunden erreicht«, meldete sich Danny erstmals zu Wort. »Und sie war sehr kurz und arg durcheinander. Ich war nicht sicher, ob sie wirklich von dir stammte – und ich kenne dich. Der Wolf«, fuhr er fort, »der auf Basis dieser knappen Informationen in Aktion getreten sein könnte, müsste aufgrund der bloßen Annahme, dass du tatsächlich zum Wolf geworden bist, sehr schnell gehandelt haben.« Danny beugte sich vor, und sein Akzent trat stärker zutage. »Bis heute hat niemand von uns gewusst, dass du ein echter Wolf bist. Wer immer dich verraten hat, ist kein Freund des Rudels. Wir müssen sofort handeln und gnadenlos zuschlagen – Rudelbruder oder nicht.«
Danny demonstrierte mir anschaulich, dass man ihm zu Recht den Schutz dieser Stadt anvertraut hatte. Er war frei von Furcht und auffallend selbstbewusst.
Wenn wir verschwiegen, dass es möglicherweise einen Verräter in unseren Reihen gab, konnten wir in Ruhe herumschnüffeln. Buchstäblich. Spielten wir unsere Karten geschickt aus, würde der mutmaßliche Verräter sicher nervös.
Ich dachte einen Moment darüber nach. »Das alles vorerst geheim zu halten, könnte die beste Möglichkeit sein, den Verräter aufzuspüren. Wenn wir so tun, als wäre nichts geschehen, als wäre dieser Angriff durch einen Einzelgänger in unseren Augen ein ganz gewöhnlicher Überfall gewesen, können wir ihn vielleicht schneller enttarnen. Üben wir dagegen gleich Druck auf das Rudel aus, könnte er fliehen, und uns entgeht die Chance herauszufinden, was hinter dem Ganzen steckt. Wenn ich mein normales Leben wieder aufnehme – unter dem Schutz von Bodyguards«, fügte ich rasch hinzu, ehe jemand Einwände erheben konnte, »können wir dieses Treffen als meine offizielle ›Debütparty‹ ausgeben und so tun, als ginge alles seinen normalen Gang. Möglicherweise verlässt der Verräter sich dann auf sein Glück und versucht es weiter.«
»Das eröffnet durchaus Möglichkeiten«, murmelte James zustimmend.
Nick räusperte sich und meldete sich zum ersten Mal zu Wort. »Niemand im Rudel weiß, wie wir unsere Geschäfte führen. Die Dinge laufen hier anders. Wenn wir vorsichtig vorgehen, könnten wir Jessicas Bewegungen unbemerkt beobachten. Wir verbreiten, dass der russische Einzelgänger von außen gekommen ist und keinen Bezug zum Rudel hatte. Jessica widmet sich wieder ihrem Alltag, und wir folgen ihr unauffällig, um den Verräter aufzuspüren. Er wird nicht stillhalten können. Wenn ihr Tod ihm wichtig genug ist, dass er einen Einzelgänger anheuert, dann wird er wieder zuschlagen. Eher früher als später.«
»Das schmeckt mir nicht«, brummte mein Vater. »Es muss doch möglich sein, ihn aufzuspüren, ohne so einen Affenzirkus zu veranstalten! Wenn es in meinem Rudel einen Verräter gibt, so wird er sich nicht lange vor mir verbergen können. Wenn ich Druck ausübe, ist es nur eine Frage von Tagen, bis er gezwungen sein wird, sich selbst zu verraten. Das Einzige, was dabei ungewiss bleibt, ist, ob er sich bereits mit einer anderen Gemeinde zusammengetan hat. Der Faktor stellt ein Risiko dar. Nach meinem Empfinden sollte Jessica, solange wir nicht mehr Informationen haben, untertauchen und sich an einem sicheren Ort verstecken, an dem wir sie beschützen können.«
»Ich verstehe deine Bedenken«, entgegnete ich und suchte den Blick meines Vaters. »Aber wenn ich untertauche, wäre das ein Zeichen für alle im
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