Vollmondfieber: Roman (German Edition)
»Wie es scheint, ist Jessica fähig, sich nur teilweise zu verwandeln und diesen Zustand für eine beachtliche Zeit aufrechtzuerhalten. In teilgewandelter Gestalt hat sie gegen den Einzelgänger gekämpft … und gesiegt.« Dad zog eine Braue ein wenig hoch, forderte seine Wölfe zum Widerspruch heraus. »Sie hat nicht festgehangen. Sie hat auch nicht gezögert. Sie war in der Lage, in Aktion zu treten und dabei die volle Kontrolle zu behalten.«
Totenstille folgte seinen Worten.
Einige der Wölfe wechselten kurze Blicke. Ich rutschte auf meinem Sitz herum. Nun, da mein Geheimnis aufgedeckt war, fühlte ich mich unbehaglich. Die Neuigkeit, dass ich eine Lykanerin war, musste für diese Wölfe der Beweis für die Richtigkeit des Kain-Mythos sein. Ich wusste, mein Vater hatte diesen Punkt ansprechen müssen. Es war nicht zu umgehen. Dennoch wünschte ich, ich hätte ein paar Tage mehr Zeit gehabt, das alles zu verdauen.
Das leise Klicken der Computertasten verstummte. »Lykaner« , hauchte Devon. »Du sprichst von einem Lykaner, richtig? So etwas habe ich nicht für möglich gehalten. Ich meine, um die Lykaner ranken sich haufenweise Legenden. Aber in den letzten tausend Jahren ist nie einer gesehen worden.«
Alle saßen stumm und starr auf ihren Plätzen.
Allerlei Gefühle spiegelten sich in den Gesichtern der Wölfe, als sie sich mit der Neuigkeit auseinandersetzten.
Ein zögerliches Hüsteln ertönte auf der anderen Seite des Tisches. »Aber, Callum, wenn du es nicht selbst gesehen hast, dann könnte es doch auch ein Irrtum sein«, meinte Rich mit ruhiger Stimme. »Niemand hat je einen echten Lykaner zu sehen bekommen. Wie können wir dann wissen, dass sie einer ist? Immerhin wäre es auch möglich, dass ein weiblicher Wolf gar nicht in der Lage ist, sich vollständig zu wandeln. Vielleicht ist eine partielle Verwandlung einfach alles, was sie kann.«
Das war ein Argument. Hätte ich in meiner ersten Nacht keine vollständige Wandlung durchgemacht, würde ich mir diese Frage auch stellen.
»Ich wäre durchaus bereit, dir zuzustimmen, Rich. Mit dieser Angelegenheit müssen wir behutsam umgehen«, sagte mein Vater. »Das ist keine Information, die ich leichtherzig mit euch allen teile. Jace hat nach Jessicas Rückkehr eine Blutuntersuchung veranlasst, großes Blutbild, alles. Ihre Körperchemie hat sich vollständig verändert. Ich habe die Ergebnisse erhalten, ehe ich das Habitat verlassen habe. Jace arbeitet immer noch daran, den Erbfaktor zu isolieren. Aber nach ihrem Blut zu schließen, ist sie ein ganzer Wolf, und das soll uns reichen.« Er ließ seine Stimme verklingen, während sein Blick durch den Raum wanderte. Noch immer herrschte umfassende Stille. Und er fuhr fort: »Außerdem gibt es noch ein paar andere Hinweise auf lykanische Herkunft, die mich in meinem Urteil bestärkt haben.«
Cliff Delano, ein sehr ruhiger, stets gefasster Wolf mit schokoladenbrauner Haut und ernsten Augen, staunte mich unverhohlen an. »Welche anderen Hinweise?«, fragte er meinen Vater in bedächtigem Ton, der die Furcht, die im Stillen von ihm ausging, noch unterstrich.
Und in der Tat stank es nach Angst im Raum, und dieser Gestank ging nicht nur von Cliff aus. Das war nicht gut.
»Jessica, so scheint es«, erklärte mein Vater seinem Kreis, »kann ihre Gedanken unbewusst vor mir abschirmen. Es ist mir nicht möglich, sie zu erreichen. Ich kann ihre Barriere nicht durchbrechen, und ich habe es bereits mehrfach versucht.«
Hörbares Aufkeuchen vermischte sich mit laut werdendem Knurren.
Ich kam mir vor wie ein Fisch in einem Aquarium, gerade einen Moment bevor die Katze ihre Pfote ins Wasser senkt und das Fischlein erwischt. Mir wurde heiß unter all diesen Blicken. Na, Jungs, was haltet ihr davon, hm? Ich bin ein unbekanntes Risiko, und der mächtigste Alpha der ganzen Welt kann mich nicht unter Kontrolle halten. In mir ist euer schlimmster Albtraum leibhaftig geworden. Wie gefalle ich euch jetzt?
Ich schloss die Augen. Gleich darauf band Tylers Stimme in meinem Kopf meine Aufmerksamkeit. Jess, es kommt alles in Ordnung. Wir kriegen das hin! Wenn sie sich gegen dich stellen, besiegen wir sie. Danach sehen wir weiter.
Du hast leicht reden. Ein paar Wölfe zu besiegen, ist eine Sache. Aber wenn das erst bekannt wird, dann bin ich Freiwild. Du kannst sie nicht alle aufhalten. Die Wölfe, die Angst davor haben, was ein Lykaner für das Rudel bedeuten könnte, zumal sie noch nie zuvor einen gesehen haben, werden mich
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