Vollmondfieber: Roman (German Edition)
Einladung zu warten, glitt ich geschmeidig auf den Barhocker neben Rourke.
Er taxierte mich mit unverkennbarem Interesse. Mehr als nur eine Spur Neugier flackerte in diesen unglaublichen, fantastisch grünen Augen. Aus der Nähe betrachtet, erwies sich seine Haut als makellos und sonnengebräunt, und sein kantiges Kinn zierte ein kurz geschorener Rasen blonder Stoppeln.
Aber so gar nicht das, was ich erwartet hatte.
Seine Ausstrahlung brachte die Luft um mich herum zum Vibrieren und jagte ein energiegeladenes Prickeln über meine Haut. Diese Energie kam irgendwo tief aus Rourkes Innerem, so viel konnte ich spüren. Er war alt, das stand außer Frage. So machtvoll zu werden, erforderte viel Zeit.
»Hallo, Rourke«, begrüßte ich ihn und nahm meinen ersten vollen Atemzug von ihm. Was ich roch, schnürte mir beinahe die Kehle zu. Auf der Suche nach Halt gruben sich meine Fingernägel in die Unterseite des Tresens. Heiiiilige Scheiße! Meine Wölfin brach in Gebell aus, hörte gar nicht mehr auf. Ruhe, ich kann nicht denken. Sei still!
Er roch nach Wald, nach Grün, genau wie ich ursprünglich angenommen hatte. Aber er hatte nichts von frisch gemähtem Gras an sich. Was von ihm ausging, war dicht, dunkel und schwer, wie dunkler Zuckersirup, versetzt mit Nelken. Und so köstlich, dass es mir schwerfiel, mich zu konzentrieren. Meine Wölfin kläffte immer noch aufgeregt. Du musst dich beruhigen. Wir wirken absolut unprofessionell, und der Kerl wird mich nicht ernst nehmen, wenn das so weitergeht. Reiß dich zusammen! Widerwillig hörte sie mit dem Gebell auf, sodass ich endlich zum Geschäftlichen kommen konnte.
Ein wenig verlagerte Rourke sein Gewicht auf dem Barhocker und drehte sich zu mir hin. Unverfroren musterte er mich vom Scheitel bis zur Sohle, ohne einen Ton von sich zu geben. Lässig grinste er mich an, was zwei kleine Grübchen zum Vorschein brachte. Das sagte genug: Er war sich bewusst, dass ich um meine Fassung rang. Das bedeutete, dass er gar keine andere Reaktion erwartet hatte.
Das Wort »Wichtigtuer« kam mir in den Sinn.
Er überraschte mich damit, mir die Hand entgegenzustrecken. »Es ist mir eine Freude, Sie endlich kennenzulernen, Ms. Hannon. Ihnen eilt der Ruf voraus, die Beste in dem Geschäft zu sein.« Seine Stimme war tief, klang nach Wagemut, genau wieich sie Erinnerung hatte. Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter. Im direkten Gespräch trat sein Akzent deutlicher zutage als übers Telefon. Einordnen aber konnte ich den Tonfall immer noch nicht. Südafrikanisch, möglicherweise?
Ich dachte darüber nach, die Hand zu ergreifen und zu schütteln. Oder auch nicht. An Glaubwürdigkeit dürfte ich jetzt schon verloren haben. Schließlich hatte ich mich wie ein schnatternder Teenager verhalten. Also packte ich die Hand und wurde mit einem Energiestoß belohnt, der meinen Arm emporschoss. Verdammt . Ich biss die Zähne zusammen und gab mir alle Mühe, das Phänomen zu ignorieren. Noch mehr Dummheiten konnte ich mir nicht leisten. »Wenn mir dieser Ruf vorauseilt, sollten wir gleich mit dem Theater aufhören, Rourke, und zur Sache kommen. Ich weiß, dass Sie wissen, wer ich bin.« Ich machte auf böser Bulle, womit ich meist recht erfolgreich war. Nick gab in der Regel den guten Bullen. »Ich weiß nur nicht so genau, warum Sie hier sind und was Sie vorhaben. Deshalb habe ich beschlossen, unsere Verabredung heute Abend einzuhalten.« Ich senkte die Stimme. »Warum genau sind Sie hier, Rourke?«
Ein vage überraschter Zug schlich sich auf sein Gesicht. »Sie reden wohl nicht gern um den heißen Brei herum, was, Schätzchen?« Er nahm einen Schluck Bier und stellte das Glas vor sich auf den Tresen. Dann blickte er mich erneut aus diesen klaren Augen an.
Heiliger Strohsack!
Er musste damit aufhören! Sämtliche Haare an meinen Armen nahmen Habachtstellung ein, und meine Wölfin winselte ununterbrochen. Ehe er den Blick abwandte, sah ich ein kaum wahrnehmbares grünes Funkeln in der Tiefe einer seiner Regenbogenhäute. Interessant . Ich räusperte mich. »Was brächte es mir ein, um den heißen Brei herumzureden? Das ist nur Zeitverschwendung. Und Sie haben meine Frage nicht beantwortet, also frage ich Sie noch einmal: Warum sind Sie hier?«
»Sie wissen bereits, warum ich hier bin.«
»Denken Sie wirklich, ich würde hier sitzen, wenn ich es wüsste?« Ich legte den Kopf schief und musterte ihn meinerseits von Kopf bis Fuß. »Ich nehme an, Sie werden mir nicht vor all diesen
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