Vollmondfieber: Roman (German Edition)
After-Work-Gästen zur Essenszeit das Genick brechen. Aber davon abgesehen ist mir nicht klar, warum Sie so überraschend in der Stadt aufgetaucht sind. Kein Drumherumgerede mehr, Rourke. Ich will wissen, warum genau Sie hier sind.« Ich tippte mit dem Zeigefinger auf den Tresen, um meinen Worten mehr Gewicht zu verleihen. »Hier und jetzt!«
Er ließ etwas Zeit vergehen, ehe er antwortete. Dann beugte er sich vor, und seine kräftigen, in Leder gehüllten Unterarme berührten meine Fingerspitzen. »Ich wurde von einer höchst interessierten Partei angeheuert, um, egal, mit welchen Mitteln, alle verfügbaren Informationen …«, er senkte die Stimme, bis sie wie ein heiserer, leise säuselnder Windhauch klang, »… über den einzigen weiblichen Werwolf in der Stadt zu sammeln.«
Ich sog hörbar die Luft ein.
Arschloch! »Wollen Sie behaupten, ich wäre ein Werwolf?« Ich lachte sarkastisch. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden! Vielleicht verwechseln Sie Werwölfin mit Tochter eines Werwolfs, was ich, wie Sie wissen, in der Tat bin.« Ich musste nicht fürchten, belauscht zu werden. Der Lärm in der Bar reichte völlig, um unser Gespräch zu überdecken. Die Tatsache, dass Rourke wusste, dass ich eine Wölfin war, nahm mich mehr als nur ein bisschen mit. »Ihr Auftraggeber muss falsch informiert worden sein.«
Rourke legte den Kopf in den Nacken und lachte.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und machte ein wütendes Gesicht.
Als Rourkes Heiterkeitsausbruch beendet war, winkte er den Barkeeper. »Eine Runde für uns.« Er reckte zwei Finger hoch. Dann wandte er sich wieder mir zu. Noch immer waren Lachfältchen in seinen Augenwinkeln zu sehen. »Hören Sie, selbst wennich es nicht mit eigenen Ohren von glaubwürdiger Seite gehört hätte, hätte ich trotzdem spätestens in dem Moment, in dem Sie zu dieser Tür hereinspaziert sind, gewusst, dass Sie eine Wölfin sind. Ihre Energie kriecht mir wie Ausschlag über die Haut, und ihr Geruch ist so stark, ich kann kaum glauben, dass diese Menschen um uns herum …«, geistesabwesend deutete er mit dem Daumen auf die anderen Gäste, »… nicht herkommen, um Ihnen zu Ihrer gerade erfolgten Wandlung zu gratulieren.«
Hrmpf! »Sehr komisch.« Ich kniff die Augen zusammen. »Dann können Sie mir ja jetzt erzählen, wie Sie in so kurzer Zeit an diese höchst geheime und völlig aus der Luft gegriffene Information gekommen sind.«
»Ein Profi verrät seine Quellen nicht.« Er zwinkerte mir zu. »Aber das wussten Sie bereits, nicht wahr?«
Ich beugte mich auf meinem Hocker vor. »Sie verarschen mich, richtig? Warum wollten Sie sich denn überhaupt mit mir treffen? Warum haben Sie mir Ihren richtigen Namen genannt? Warum haben Sie sich bei Ihrem Ruf nicht einfach mit Gewalt genommen, was Sie wollen? Ist das nicht Ihre übliche Vorgehensweise: zuschlagen und später Fragen stellen? Stattdessen sitzen wir jetzt hier – auf Ihre Bitte hin – um … tja, was … zu tun? Um über den Spielstand irgendeines testosteronbenebelten Ballspiels zu plaudern? Sie sind zu mir gekommen, okay?«
Möglicherweise war die Reaktion die, die ich in seinem Gesicht zu erkennen glaubte: widerwilliger Respekt. Vielleicht aber war Rourke auch lediglich verärgert. Ein tiefes Knurren, ein grollender, lang gezogener Laut, stieg aus seiner Brust auf, als er die Maske munterer Aufgeräumtheit fallen ließ, die er zum Plaudern aufgesetzt hatte. Das Raubtier lauerte direkt unter der Oberfläche. Ich tat gut daran, mir das zu merken. »Ich kenne Ihren Vater seit langer Zeit.«
Ich wartete in der Hoffnung, dass er mehr sagen würde, aber er schwieg.
»Ich weiß. Und? Es heißt, Sie wären ein skrupelloser Mistkerl. Warum also sollten Sie einer längst vergangenen Geschäftsbeziehung zu meinem Vater heute noch Respekt erweisen?«
»Weil Ihr Vater großen Respekt verdient.«
»Genug Respekt, um seine Tochter zu kidnappen?«
»Es ist nicht meine Aufgabe, Sie zu kidnappen.«
»Warum zum Teufel … ?«
Im nächsten Moment geschah zweierlei ausgesprochen schnell.
Rourke sprang von seinem Hocker, der von der Heftigkeit der Bewegung hart zurückgeschoben wurde. Fast gleichzeitig hörte ich Tyler in meinem Kopf schreien: Jess, du musst da raus! Sofort! Das ist eine Falle. Gottverdammt … Ich konnte ihn kaum verstehen. Southern … kämpfen … hau da verdammt noch mal ab …
Tyler? Was ist da los? Ich verstehe dich nicht. Antworte mir! Ich rutschte ebenfalls von meinem
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