Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Vollmondkuss

Titel: Vollmondkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schroeder
Vom Netzwerk:
Baronesse wird diese Sehnsucht stillen, eines Tages ... Dann bricht der Morgen heran, ohne dass Jolin etwas darüber erfährt, wohin Victor geht. Es folgen Seiten über die Machenschaften des Barons und die Heimlichkeiten, die nicht nur seine Tochter, sondern auch seine Gattin pflegen.
    Himmel nochmal, wie langweilig! Seufzend schlug Jolin das Buch zu. Was, ja was zum Teufel hatte sie nur dazu bewogen, es zu lesen? Eine vage Hoffnung? Verzweiflung? Wo lebte sie eigentlich? In der Wirklichkeit oder zwischen den Seiten dieses abgrundtief langweiligen und äußerst unrealistischen Vampirromans? War es nicht doch ganz einfach so, dass es für alles, was Jolin in den letzten Tagen erlebt hatte, eine natürliche Erklärung gab?
    Die Fledermaus in ihrem Zimmer musste nicht vom Sonnenlicht getötet worden, sondern konnte ebenso gut unglücklich zwischen die Rahmen geraten sein. Wahrscheinlich hatte das Fenster auf Kipp gestanden, und Paula hatte es versehentlich zugedrückt, als sie sich erschrak. Die Asche auf Jolins Teppich war auch keine Asche, sondern schlicht und ergreifend feiner Staub, den das arme Tier im Fell gehabt hatte. Möglicherweise hatte sich nachts darauf tatsächlich jemand im Keller aufgehalten, zum Beispiel ein Obdachloser, der sich heimlich ins Haus geschlichen hatte. Vielleicht war dieser merkwürdige, schwarz gekleidete Mann ja tatsächlich ein Freak, der sich in der Stadt herumtrieb und Jolin aus reinem Zufall immer wieder unter die Augen geriet. Und die seltsamen Andeutungen von Harro Greims schienen mit Vernunft betrachtet auch nichts weiter zu sein als die Spinnereien eines Verrückten. Ja, je länger Jolin über all das nachdachte, desto plausibler kam es ihr vor. Der alte Greims hatte schließlich schon immer eine blühende Phantasie gehabt. Gerade deshalb hatte er sie damals doch so sehr in ihren Bann gezogen. Und jetzt, fünf Jahre später, tobten diese Verrücktheiten durch Jolins Gehirn und spielten ihr einen Streich nach dem anderen, ausgelöst durch Rouben, der nichts weiter war als ein ganz normaler Typ. Ein bisschen seltsam, ein wenig anders als andere, etwas geheimnisvoll, aber doch wohl niemand, vor dem man Angst haben musste!
    Energisch stopfte Jolin das Buch in ihre Tasche zurück. Wie belämmert musste man eigentlich sein, ein solch bescheuertes Werk gleich zweimal zu kaufen! Heute nach der Schule würde sie es endgültig zurückbringen in das kleine Antiquariat in der Mühlengasse, zu Herrn Lechtewink, der gebissen worden war. Und zwar von einem Hund!
     
    Am nächsten Morgen stand Rouben vor der U-Bahn-Station und blickte ihr mit zusammengekniffenen Augen entgegen. Instinktiv verlangsamte Jolin ihren Schritt. Woher hatte er gewusst, dass sie sich verspätet hatte? Normaler-weise hätte sie längst in der U-Bahn sitzen müssen.
    »Hast du auf mich gewartet?«, fragte sie.
    »Seit einer halben Stunde«, sagte er. »Hast du verschlafen?«
    Jolin zuckte die Schultern. Ja, sie hatte verschlafen. Ausnahmsweise. »Wieso bist du nicht einfach zur Schule gefahren?«, erwiderte sie. »Mittlerweile müsstest du die Strecke doch kennen.«
    Rouben antwortete nicht, sondern lief stumm neben ihr her die Treppe zum Bahnsteig hinunter. Er redete erst wieder, als sie wenige Minuten später einander gegenüber in der Bahn saßen. »Ich hab etwas für dich«, sagte er, schob seine Hand in die Seitentasche seines schwarzen Mantels und zog ein kleines Päckchen hervor. Es war mit dunkelblauem Papier eingeschlagen und mit einer Schleife aus transparentem Stoff verziert.
    »Ein Geschenk?«, fragte Jolin.
    Rouben nickte.
    »Wozu?«
    »Dafür, dass du mich begleitest«, sagte er.
    »Was?« Jolin schüttelte den Kopf. Er meinte wohl die Party von Klarisse. Aber da wollte sie nicht hin. Es gab keinen Grund für sie, dorthin zu gehen. Sollte er doch alleine losziehen oder es ihretwegen auch sein lassen. Es war ihr egal. »Ich gehe nicht zu Klarisse«, stieß sie hervor. »Ich lasse mich doch nicht verhöhnen!«
    Rouben schüttelte den Kopf. Sein Blick war ganz ernst. »Niemand wird dich verhöhnen. Ich bin doch bei dir.« Es klang väterlich. Und freundschaftlich. Aber da war auch noch etwas anderes in seiner Stimme. Etwas, das Jolin einen Stich durchs Herz jagte. Einen sehr feinen, sehr wehmütigen. Und warmen.
    »Nun nimm schon«, sagte Rouben und machte eine ungeduldige Geste mit der Hand, in der er das Päckchen hielt. In seinen Augen blitzte ein Funkeln auf. Ganz kurz nur, aber es erinnerte Jolin an Harro

Weitere Kostenlose Bücher