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Vollmondstrand

Vollmondstrand

Titel: Vollmondstrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra M Klikovits
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Mutter auf beide Wangen.
    »So weit habt ihr doch gar nicht«, entgegnete diese. »Aber, egal, setzt euch schnell dazu.«
    Alle waren sie da, die Eltern, ihr Bruder Peter aus Oberösterreich, Clara mit ihrem Mann Günther und den Kinder Lina und Alfi.
    Rosa und Marti grüßten flott durch die Runde. Nur bei Clara schien Rosa eine hochgezogene Braue bemerkt zu haben, sonst zeigten sich alle erfreut, sie wiederzusehen.
    Es ist, wie es ist, sagte sich Rosa, und sah Clara in die Augen.
    Diese hielt dem Blick nicht stand und warf ihre adrett geschnittenen kurzen Haare, bildlich gesprochen, in den Nacken.
    Hört das nie auf, dachte Rosa. Sie konkurriert mit mir, immer noch.
    Vielleicht ist es eine Möglichkeit, Gleichmut zu lernen? Oder rede ich mir da etwas schön? Sie würde heute Abend Zuflucht suchen bei den alten Philosophen.
    Rosa sah sich um. Außer Clara saßen schließlich noch andere Leute am Tisch. Peter, ihr Bruder. Er war der Jüngste der drei. Zehn Jahre Altersunterschied trennten sie, für ein Kind eine Ewigkeit. Rosa konnte sich noch erinnern, als ihre Mutter den ›Stammhalter‹ nach Hause brachte. So ein kleiner Wurm sollte jetzt einen Stamm halten, oder was? Rosa fand das lächerlich. Anfangs hatten Clara und sie mit Peter gespielt, aber wirklich nett wurde es erst, als er drei oder vier war.
    Bald darauf kamen die Mädchen ins Internat und hatten am Wochenende andere Interessen, als den kleinen Bruder zu hüten.
    Der kleine Bruder, das unbekannte Wesen! War er deshalb so rasch nach der Schule nach Linz verschwunden, weil er außer zwei alternden Elternteilen keine Ansprache hatte? Oder doch eher, wie er sagte, wegen der Ars-Electronica-Geschichte?
    Rosa vermutete beides, sonst ließe er sich wohl öfter blicken.
    »Seine Freundin hat Peter zu Hause gelassen, wahrscheinlich hat er zu ihr gesagt: ›Das zahlt sich nicht aus, dass du den langen Weg in Kauf nimmst, für die paar Leute!‹«, flüsterte ihr Marti ins Ohr. »Oder«, jetzt kam er in Fahrt, »er hat einen Freund. Wäre auch egal!«
    »Mir auf jeden Fall, aber blöd nur für einen Stammhalter, du weißt schon.«
    Rosa sah Marti plötzlich auf eine seltsame Art an, fand er. Wollte sie ihn veräppeln? Marti war auch der einzige Sohn in seiner Familie, er hatte fünf Schwestern, die alle mindestens zwei Kinder zur Welt gebracht hatten. Die Betonung lag auf ›mindestens‹.
    Familienfeste in Finnland sahen anders aus. Dagegen war das, was hier geboten wurde, die zufällige Ansammlung einiger Menschen. 50 Leute kamen im Norden leicht an einem Nachmittag zusammen, um zum Geburtstag zu gratulieren – die engsten Verwandten sozusagen. Rosa fand das schön, weil es völlig unkompliziert ablief. Kommen und Gehen waren gestattet, nein, erwünscht – ansonsten wäre diese Menschenmenge nicht zu verköstigen, dafür müsste man Hallen bauen.
    Rosa war gerne bei Martis Familie in Finnland. Diese wohnte am Stadtrand von Turku in einem alten Haus mit Bäumen drum herum. Von hier waren alle sechs Kinder ausgezogen in die Welt. Marti nach Österreich, seine älteste Schwester lebte in der Schweiz und damit am weitesten weg. Der Rest blieb im Norden, in Schweden, Dänemark und Schottland.
    Das Aufwachsen in einer Großfamilie hinterließ seine Spuren. Marti hatte ihr einmal gestanden, dass er beim Einkaufen im Supermarkt immer diejenigen beneidete, die am meisten Milch im Korb hatten. Viel Milch bedeutete, sie hatten eine große Familie zu versorgen.
    Rosa trank ihren Kaffee schwarz. Zu Hause gab es daher maximal Haltbarmilch. Für Crêpes. Und Obers für Martis Kaffee.
    Falls Marti einmal anhaltend traurig werden sollte, Rosa wüsste, was zu tun wäre: ein Milchgroßeinkauf im Supermarkt. Und die Sache wäre gerettet.
    Ihr Liebster hatte Großfamilienerfahrung mit allen Konsequenzen.

36
    ›Wirf ab die Heiligkeit, wirf ab die Klugheit – so wird der Nutzen groß sein.‹
    Rosa machte es sich am Abend mit alten Chinesen und dazu passendem Tee gemütlich. ›Was alle hassen, das sollte man prüfen; was alle lieben, das sollte man prüfen‹, stand da zu lesen, oder: ›Wahre Worte sind nicht schön. Schöne Worte sind nicht wahr.‹
    Auf alle Exemplare der Klatschpresse gehörte dieser Hinweis von Lao-Tse, befand Rosa. Ähnlich den Warnetiketten auf Zigarettenschachteln: ›Achtung, glauben Sie nicht alles, was in der Zeitung steht! Yellow Press gefährdet ihre Urteilsfähigkeit!‹
    Die Gedanken von Konfuzius und ihre Zeitlosigkeit beeindruckten Rosa immer

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