Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
Die Frau holte tief Luft und begann. »Also, mein Name ist Angelika Hauser, ich bin Oberkommissarin beim Bundeskriminalamt. Ich bin in Witkowskis Organisation eingeschleust worden. Witkowski will noch mehr Geld und Macht, deshalb ist er ins Waffengeschäft eingestiegen…«
»Das wundert mich bei Witkowski überhaupt nicht«, fiel ihr Karin ins Wort. »Und um noch einmal auf Ihren Dienstausweis zurückzukommen…«
»So viel dazu, dass ich Sie bat, mich ausreden zu lassen. Dass ich meinen Ausweis nicht bei mir führe, liegt ja wohl auf der Hand. Sie kennen Witkowski, da müssten Sie eigentlich wissen, wie misstrauisch er ist. Ich kann mich schon gar nicht mehr daran erinnern, wie oft ich bereits gefilzt wurde. Morgen wird Sie mein Chef kontaktieren und meine Identität bestätigen. Ich lauere Ihnen schon seit Tagen auf. Es ist ziemlich schwer, an Sie heranzukommen, das können Sie mir glauben.« Bei diesen Worten gelang Frau Hauser sogar ein kleines Lächeln. »Mal führte ein Opa seinen Hund Gassi, und dann waren Sie immer in Begleitung einer jungen Frau. Ich habe mir beim letzten Mal fast den Arsch abgefroren.«
»Das tut mir aber leid. Das nächste Mal werde ich bestimmt nach eventuellen Beschattern Ausschau halten und mich nicht so unsozial verhalten.« Karin war immer noch sauer wegen des Schreckens, den ihr Frau Hauser bereitet hatte. Mühsam versuchte sie, das Zittern ihrer Hände zu verbergen.
»Nun zum Grund meiner nächtlichen Aktion. Sie haben mich bei Witkowski gesehen, deshalb habe ich mich über Sie erkundigt. Sie stehen in dem Ruf, allen Dingen und vor allem den Dingen, die mit Witkowski zu tun haben, auf den Grund zu gehen. Also musste ich befürchten, dass Sie sich auch für mich interessieren. Dabei hätte es leicht sein können, dass Sie meine mühsam erarbeitete Tarnung auffliegen lassen würden. Witkowski hat seine Ohren überall, auch in der Polizeidirektion. Sie persönlich sind in dieser Beziehung über jeden Zweifel erhaben.«
»Wie schön.« Karin konnte sich den Einwurf nicht verkneifen, dann musste sie sich räuspern, vor Anspannung war ihr Mund ganz trocken.
»Es ist bekannt, mit welcher Leidenschaft Sie hinter Witkowski her sind. Ich bitte Sie nun, Ihre Kollegen von mir fernzuhalten und die Fotos, die Sie von mir haben, zu vernichten. Es wäre äußerst fatal, wenn mich jemand darauf erkennen würde.«
»Woher wissen Sie denn von den Fotos?«
»Ich sprach bereits von Witkowskis großen Ohren. Er selbst hat mir lachend berichtet, dass ich auf der Liste ›der Wölfin‹ stehe. Bitte erledigen Sie alles mit größter Diskretion. Sie können zu Ihrer Sicherheit warten, bis mein Chef Sie kontaktiert hat, aber bitte sprechen Sie bis dahin mit keinem. Wenn Witkowski dahinterkommt, welches Spiel ich treibe, dann treibe ich ein letztes Mal und zwar die Elbe herunter, und bestimmt ohne Körbchen. Der Tod fühlt sich wohl in Witkowskis Umgebung.«
Angelika Hauser reichte Karin zum Abschied die Hand, blickte ihr noch einmal tief in die Augen, verließ das Auto und verschwand in der Dunkelheit.
Karin stand noch immer unter Schock. Sie zwang sich zur Ruhe und konzentrierte sich auf die nächstliegenden Tätigkeiten. Sie verschloss ihr Fahrzeug und die Garage, dann stieg sie in den vierten Stock zu ihrer Wohnung hinauf. Die Wohnungstür verschloss sie diesmal mit noch mehr Sorgfalt als sonst. Sie ging auf direktem Weg in die Küche und goss sich einen dreifachen Whisky in ein Glas, doch als sie das Glas mit zitternden Händen an die Lippen setzte, zögerte sie. Karin schüttelte den Kopf und schüttete den Schnaps ins Becken. Stattdessen setzte sie Teewasser auf und ließ sich ein Bad ein.
Eine Stunde später saß sie zusammengekuschelt in einem ihrer großen Sessel, trank Tee und dachte noch einmal in Ruhe über die Geschehnisse dieses Tages und besonders des Abends nach. Nachdem sie alles, was Angelika Hauser ihr mitgeteilt hatte, noch einmal genau durchdacht hatte, war sie sich sicher, dass diese Frau ehrlich zu ihr gewesen war. Jetzt bewunderte sie Frau Hauser. Karin hatte keine Ahnung, ob sie sich trauen würde, eine so gefährliche Aufgabe zu übernehmen. Mit der Gefahr, der sie beim Umgang mit solchen Verbrechern ausgesetzt war, wäre sie vermutlich klargekommen, aber in jedem Augenblick ihres Lebens auf der Hut zu sein, das würde sie überfordern. Karin konnte sich so ein Leben ohne Verschnaufpause, immer in dem Bewusstsein, die nächste Sekunde könnte die letzte sein, nicht
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