Vom Alptraum verfolgt
ich. »Alle
Lebensgeschichten sind rührselig — da kannst du jeden Polizeibeamten fragen .«
»Vicki Landau war meine
Zimmerkollegin im College«, fuhr sie fort, »und gleich von Anfang an kamen wir
blendend miteinander aus. Sie war ganz verrückt mit ihrem Vater — betete ihn
förmlich an! Sie hörte überhaupt nicht auf, von ihm zu sprechen — wie klug und
gütig er war und was für ein brillanter Psychiater — und wie sehr er sie liebte.
Ich glaube, das war es, was mich packte — etwas, das mir meine Eltern nie
gegeben hatten, nämlich Liebe, und das war das, was ich mir mehr als alles
andere auf der Welt wünschte.«
Sie trank noch einen Schluck
Kaffee, rückte die schwere Hornbrille energisch auf ihrer Nase zurecht, und
danach blieb ihr nichts anderes mehr übrig, als weiterzuerzählen.
»Das ganze erste Jahr im
College über lauschte ich Vickis endlosen Geschichten über ihren brillanten,
weisen, gutaussehenden Vater, der sie zärtlicher umhegte als irgend etwas auf der Welt — und
ich genoß jede Minute! Ich pflegte Vicki zuzuhören und mir selbst vorzumachen,
es sei in Wirklichkeit mein Vater, von dem sie redete, und sie selbst
sei die Tochter dieses langweiligen, alternden, eigensinnigen kleinen Mannes,
der in unserem Haus wohnte!
Dann fragte mich Vicki
plötzlich, ob ich nicht während der Sommerferien ein paar Tage zu ihr nach Haus
kommen wolle. Ich dachte, ich stürbe vor Aufregung, bevor ich hinfuhr! Du
darfst nicht vergessen, Al, ich war gerade achtzehn und unglaublich naiv. Ich
mußte mein ganzes Leben lang eine Brille tragen, und meine Mutter war zu alt
und gleichgültig, um sich für mich zu interessieren — und so sah ich äußerlich
nach überhaupt nichts aus.
Bis dahin war ich ein paarmal
mit einem Vetter aus gewesen, der zwei Jahre jünger war als ich und Pickel
hatte. Er pflegte immer alles Interesse an mir zu verlieren, wenn ich kein Geld
hatte und ihm keine Süßigkeiten mehr kaufen konnte! Meine einzige andere
Erfahrung mit Jungens bestand aus einer Verabredung,
die Vicky für mich arrangiert hatte, ohne daß ich den Burschen kannte, und er
tauchte dann gar nicht erst auf.
Jedenfalls fuhr ich mit ihr zu
ihrem Haus auf Long Island, das viel größer und eindrucksvoller war als unser
eigenes. Aber das wunderbarste war, daß Doktor Landau in Wirklichkeit dem Bild
entsprach, das Vicki von ihm gemalt hatte. Ich fand ihn gleich beim ersten
Anblick faszinierend mit seinem schönen grauen Haar und dem klugen Mephistogesicht . Jedesmal , wenn
ich ihn ansah, liefen mir angenehme Schauder über den Rücken.
Seine Frau war damals sehr
krank und fast immer bettlägerig. Als ich ankam, wurde ich ihr vorgestellt, und
danach sah ich sie nie mehr wieder, so daß sie für mich etwas völlig
Unwirkliches hatte. Vicki nahm mit Selbstverständlichkeit an, daß wir drei
alles gemeinsam unternahmen, und ihren Vater schien es nicht zu stören, daß ich
immer mittrottete. Wir schwammen und gingen spazieren — machten Picknick am
Strand —. Es war eine herrliche Zeit. Nach der ersten Woche fragte mich Vicki,
ob ich nicht noch vierzehn weitere Tage bleiben wolle, und ich wurde fast
verrückt vor Freude!
Es geschah irgendwann während
der letzten Woche meines Aufenthaltes dort...« Kayes Stimme schwankte einen
Augenblick. »Vicki mußte zum Zahnarzt nach Manhattan, und sie bestand darauf,
daß ich zu Hause bleiben und das Meer genießen sollte, weil es ein so
schrecklich heißer Tag war. Ihr Vater fuhr sie zum Zug, und ich ging hinunter
an den Strand, um zu schwimmen. Etwa eine Stunde später kam ich zurück und traf
Vickis Vater in der Diele. Er machte ein paar abgeschmackte Bemerkungen
darüber, daß sicher alle Jungens am Strand völlig außer Rand und Band geraten
seien über die geheimnisvolle und schöne Blonde im Bikini, die allein im Meer
geschwommen hatte; aber während er redete, lag ein seltsamer Ausdruck in seinen
Augen. Nach einer Weile ging ich in mein Zimmer hinauf und duschte mich .«
Sie nahm eine Zigarette aus dem
Päckchen, das auf dem Tisch lag, und ihre Hände zitterten, als sie sie
anzündete.
»Er wartete auf mich«, sagte
sie mit dumpfer eintöniger Stimme. »Er saß auf dem Bett, die Tür war bereits
von innen verschlossen, als ich aus dem Badezimmer kam. Alles, was ich bis
dahin über Sex gewußt hatte, war strikt theoretisch gewesen — und in keinem
Fall umschloß es das, was einem mit dem Vater seiner
besten Freundin etwa zustoßen konnte. Aber da saß er
und starrte mich
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