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Vom Aussteigen und Ankommen

Titel: Vom Aussteigen und Ankommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Grossarth
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Anarchistengemeinschaft als Adliger aus, doch über ihn wurde nach Jahren bekannt, dass er gar nicht adlig war, sondern mit Nachnamen Brepohl hieß und in seinem früheren Leben Arbeiter in einer Zigarrenfabrik war.
    Die im Alter von weniger als zwanzig Jahren von zu Hause ausgerissene Beamtentochter Lotte Hattemer gab sich froh, ein freieres Leben gefunden zu haben.
    Erich Mühsam war recht befremdet aus Deutschland abgereist. Er verabscheute die »Tiergartenbourgeoisie«, der »charakterlose deutsche Volkscharakter« beschäftigte ihn, die Akteure der Berliner Kulturszene betrachtete er als »wohlriechende Jünglinge, die verdeckt von gewaltigen Krawatten und öltriefenden Napoleonlocken mit ihren Kastratenstimmen die literarischen Nachtcafés durchzirpen«, die sich einbildeten, ihre »durch geis tige Impotenz gebotene, absolute Untätigkeit stemple sie zu Ver tretern der Bohème«. In Ascona suchte Mühsam bessere Charaktere. Leider kehrte er nicht weniger befremdet nach Berlin zurück, als er abgereist war:
    Hier war es die dogmatische Unduldsamkeit der Begründer selbst, woran die Idee zugrunde ging, die glaubten, soziale Gebilde aus Weltanschauungen gestalten zu können, ferner der ungehemmte Zulauf harmloser Ethiker, die sich von der Welt missverstanden fühlten, und nicht zumindesten der Einfluss der Frauen, die auf der einen Seite die neue Gemeinschaft zu ihrem Emanzipationsherd aufkacheln wollten, auf der anderen Seite die philosophischen Ewigkeitsfragen, um die es sich handelte, im Kochtopf und Waschfass ersäuften. (…) Wenn mir aber jemand mit allgemeinsittlichen Vorhaltungen kommt, mir »Leichenfraß« vorwirft und sich als den höheren Menschen aufspielt, so wirkt er auf mich im höchsten Maße lächerlich. Mit solch läppischen Albernheiten aber begründen die meisten ihren Vegetarismus. (…) Sie tragen ihren zum Schutz vor Sonnenbrand sehr zweckmäßigen Leinenkittel wie ein Priester seinen Talar, und die Haare, die sie sich (…) lang wachsen lassen, wallen ihnen um die verzeichneten Christusköpfe, als wohnten ihrer Mähne magische Kräfte inne. Dass solche Elemente, die mit äußerem Aufputz Innenleben zu markieren trachten, den ersten Ideen eines Unternehmens als Hemmschuh anhängen, liegt auf der Hand, und ich bin überzeugt, dass aus dem Monte Verità ganz etwas anderes hätte werden können, wären diese Herrschaften von vornherein mehr im Hintergrund gehalten worden. Ich habe die Sorte in der Zeit, als ich noch der Neuen Gemeinschaft mit Enthusiasmus ergeben war, hinreichend kennen gelernt und weiß, wie sie sich mit ihrem bisschen »Weltanschauung« als »Individualitäten« aufblasen, während sie doch einander gleichen wie durchgepaust.
    In einer späteren Erinnerung schrieb er:
    So wurde ich zu den Rohköstlern gesteckt und mir eine »Lufthütte« als Behausung zugewiesen. Von früh bis spät kaute ich nur Äpfel, Pflaumen, Birnen, Feigen, Wald-, Erd- und Kokosnüsse – es war schauderhaft, ich fühlte meine Kräfte schwinden. (…) Da ging ich ins Dorf hinunter, setzte mich in eine solide Osteria, ließ mir ein Beefsteak geben, trank einen halben Liter Wein dazu und rauchte danach eine große, dicke Zigarre.
    Im Jahr 1920 verkauften Ida Hofmann und Henri Oedenkoven das Gelände. 1926 ließ sich der Bankier Eduard von der Heydt, diesmal ein echter Adliger, am Monte Verità nieder. Er sammelte asiatische Kunst, gehörte der NSDAP an und empfing den europäischen Jetset in seinem Domizil, wo Champagner im Swimmingpool serviert wurde. Der Ort der Alternativen, Idealisten und Apostel des einfachen Lebens war keine zwanzig Jahre nach seiner utopischen Phase ein Treffpunkt der neuen Elite geworden.

Allgäu: Beim Stamm der Likatier
    Als Nächstes wollte ich nach Füssen reisen, um an einem Kennenlern-Wochenende des Stammes der Likatier teilzunehmen. Aber gedanklich war ich noch nicht bereit dazu. Damanhur drängte mich dazu, vor dem Sprung in die nächste Welt für eine Nacht in ein Hotel zu gehen. Im Allgäu am Alpsee stand eines. Der Rezeptionist schaute wie ein Moorfrosch kurz vorm Abtauchen. Ich war der einzige Gast.
    »Sind Sie geschäftsreisend oder Tourist?«, fragte der Moorfrosch.
    »Tourist, nein, geschäftsreisend. Ich weiß nicht. Ja, machen Sie ›geschäftsreisend‹«, sagte ich.
    »Geschäftsreisend? Welche Firma denn?«
    »Ach nein, machen Sie ›Tourist‹.«
    Im Gasthof am See, einem Heimatmosaik aus Eiche, landete ich am Stammtisch. Ein alter Herr setzte sich dazu. Er

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