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Vom Buch zum Byte. Kurze Geschichte des E-Books (German Edition)

Vom Buch zum Byte. Kurze Geschichte des E-Books (German Edition)

Titel: Vom Buch zum Byte. Kurze Geschichte des E-Books (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ansgar Warner
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nicht nur als E-Book verkauft, sondern auch mobil auf dem Handy gelesen. Möglich machten das Java-Applets, die nicht nur Miniatur-Videospiele zum Laufen bringen, sondern auch E-Reader-Apps. Doch damit nicht genug: viele dieser „Cell phone novels” wurden von flinken Teenagerfingern tatsächlich auch auf dem „Keitei” geschrieben. Eine entsprechende Blog-Meldung führte vor einigen Jahren noch zu dem erstaunten Kommentar: „Das muss ein Fehler sein! Jeder zweite Besteller wird auf Handys gelesen, okay, aber: geschrieben!?” Doch im Land der über 100 Millionen Handys geht so manches.
    Tatsächlich wurden Handys in einem höflichen Land wie Japan von Anfang an auch zum Schreiben benutzt — um die Mitfahrenden in der U-Bahn nicht zu stören, chatten die TokioterInnen lieber per SMS. Und nicht nur das: „Teenager haben schon in den frühen Neunzigers mit Pagern Nachrichten verschickt”, berichtet Mizuko Ito, ein Wissenschaftler, der das japanische Handy-Verhalten erforscht. „Deswegen war Japan auch das erste Land der Welt, in dem die Menschen flächendeckend mobil kommunizierten, noch bevor Handys überhaupt populär wurden“. Das wirkte sich nicht nur auf die mediale Kompetenz von Nippons Söhnen und Töchtern aus, sondern auch auf deren Kreativität.
    Einen der berühmtesten goldenen Daumen hat etwa Kiki, die Gewinnerin des „Japan Keitei Novel Awards” aus dem Jahr 2008. Ihr Erfolgsroman „I, Girlfriend” gewann nicht nur 2 Millionen Yen in bar, sondern auch einen Verlagsvertrag, um das E-Book in einer Printfassung zu veröffentlichen. Der Roman ist im typischen Keitei-Stil geschrieben: Jeder Satz passt auf eine Zeile des Displays. Auch viele Emoticons gehören mit zum Handy-Stil. Der Literaturkritiker Genichiro Takahashi nannte den Roman das „erste Meisterwerk des Keitei-Genres”.
    Das neue Genre entstand um das Jahr 2002, als der erste große Handy-Roman die Displays eroberte. „Deep Love: Ayu’s Story” von Yoshi erzählt den Überlebenskampf einer Teenager-Prostituierten in Tokio. Mit allem, was das Thema hergibt: Romantik plus Vergewaltigung, Drogensucht, Selbstmordversuche. Die Welt der japanischen Handy-Romane ist dunkler und blutiger als man denken würde, sind doch die Leserinnen vor allem Mädchen im Schulalter. Die „Hardboiled”-Schule ist aber äußerst erfolgreich: Inzwischen wurden etwa von „Deep Love” fast drei Millionen Exemplare der Printversion verkauft, es gibt eine Fernsehserie und, selbstverständlich, auch Mangas.
    Verlage wie Starts, Goma oder Asuki Media Work setzten voll auf Keitei: ein Gutteil der E-Book-Dynamik des japanischen Marktes fand bis 2010 fast ausschließlich auf dem Handy statt. Das Keitei-Portal Maho no-Iland gehörte mit mehr als 3, 5 Milliarden Pageviews pro Monat in den Nuller Jahren zu den zehn meistbesuchten Websites in Japan. Interessant ist aber auch die mediale Reihenfolge, die sich im Land der aufgehenden Sonne etablierte. War ein Handy-Roman besonders erfolgreich, wurde er anschließend auch gedruckt. Um noch mal ein paar Zahlen zu nennen: die „Boy meets Girl”-Geschichte „Koizora” z.B. verkaufte sich bis 2010 auf dem Handy 25 Millionen mal, als Printfassung drei Millionen mal. Dabei geht es nicht nur um unterschiedliche Leseerlebnisse: Viele Leser kaufen sich nach der Lektüre auf dem Display ganz einfach eine teuer gestaltete Hardcover-Version als emotional aufgeladenes Souvenir.
    Marshall McLuhan kannte noch keine Handys, aber er hatte eine Medientheorie, deren Quintessenz wie eine SMS klingt: „The Medium is the message.” Tatsächlich wurde in den Nuller Jahren auch in Deutschland auf dem Handy völlig anders gelesen ein Jahrzehnt vorher auf dem PC-Bildschirm. Verglichen mit heutigen Smartphones waren die Bildschirme der „Feature-Phones“ winzig. Umso mehr waren die kurzen ebenso wie die einfachen Formen die Gewinner: Ein Satz muss auf das Display passen, am besten gleich zwei oder drei. So etwa wie in Carola Kickers Mystery-Thriller „Perlen aus Blut”:
    „Tabatha hielt ihrem Blick stand und seine schwarzen Augen blickten sie herausfordernd an. Es waren Augen wie schwarze Spiegel, kalt und leer. ‘Hämatit’, dachte Tamara unwillkürlich.”
    Besonders gut eignen sich natürlich Kurzgeschichten. Die dürfen auch klassisch sein. Nicht ganz zufällig bot der deutsche Handy-Roman-Verlag Mobilebooks.com zum Gratis-Testen Edgar Allen Poes Shortstory „Die Maske des roten Todes” an. Das eigentliche Genre für das

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