Vom Buch zum Byte. Kurze Geschichte des E-Books (German Edition)
Kompaktkassetten oder Cartridges.
Steve Jobs geht den nächsten Schritt
Zu den ersten PC-Anwendern, die in den Genuss von komfortablen elektronischen Büchern im engeren Sinne kamen, gehörte die kleine, aber feine NeXT-Gemeinde. Diese speziell für den Wissenschaftsbereich entwickelten High-End-Computer waren ein Vorzeigeprojekt von Steve Jobs, nachdem dieser Apple Mitte der 1980er Jahre im Streit verlassen hatte. Auf einem dieser technisch weit vorausweisenden Geräte entwickelte Tim Berners-Lee 1990 das World Wide Web. Immer auf der Suche nach einem weiteren Vermarktungsargument für die mit mehr als 6000 Dollar unglaublich teuren Rechner, hörte Steve Jobs 1986 davon, dass Oxford University Press gerade eine neue Shakespeare-Gesamtausgabe layoutete. Somit musste diese Edition also in elektronischer Form vorliegen und ließ sich in eine NeXT-Workstation integrieren. Der IT-Visionär schaffte es tatsächlich, den renommierten Verlag zu einer elektronischen Ausgabe zu überreden. „Das wird leicht verdientes Geld sein, und ihr werdet der gesamten Branche eine Nasenlänge voraus sein“, soll Jobs seinem Biografen Walter Isaacson zufolge argumentiert haben.
Das Angebot beinhaltete eine Pauschale von 2000 Dollar sowie 74 Cent Provision pro verkauftem NeXT-Computer. Bei Shakespeare alleine sollte es dann nicht bleiben. Die Workstations wurden mit Oxford Dictionary, Thesaurus sowie Dictionary of Quotations ausgeliefert. Wieder einmal hatte Steve Jobs Pionierarbeit geleistet, diesmal auf dem Gebiet voll durchsuchbarer elektronischer Bücher. Bei der NeXT-Premiere in der Konzerthalle der Philharmoniker von San Francisco ließ sich Jobs dieses Detail dann auch nicht entgehen. „Seit Gutenberg hat es keinen Fortschritt in der Technologie des Buchdrucks gegeben“, behauptete Jobs, und stellte fest: „Wir haben nun die ersten echten digitalen Bücher erschaffen.“
„The Book is Dead. Long live the CD-ROM“
Auf die Gutenberg-Galaxis hatten es zur selben Zeit allerdings auch andere abgesehen. Bill Gates etwa meinte Mitte der 1980er Jahre ebenfalls zu wissen, wie die Killer-Applikation aussehen würde: sie war rund, hatte einen Durchmesser von 12 cm, und in der Mitte ein Loch in der Größe einer niederländischen 10 Cent-Münze. Man nannte die silbern glänzende Scheibe Compact Disc Read-Only Memory, kurz: CD-ROM.
Der Microsoft-Gründer trieb nicht nur die Entwicklung der CD-Rom voran, sondern vor allem auch den Einbau von CD-Rom-Laufwerken in PCs – nicht nur, um CD-Roms zum Installationsmedium für das Betriebssystem Windows zu machen. Denn genau wie die Compact-Disc im Musiksektor das Ende der Vinylschallplatte eingeläutet hatte, versprach die (Daten-)CD-Rom nichts weniger als eine Revolution auf dem Buchmarkt. Anlass für diese Hoffnungen gab die unglaubliche Speicherfülle dieses auf Lasertechnik basierenden optischen Mediums. Mit bis zu 800 Megabyte ließ sich auf den Silberscheiben so viele Daten speichern wie auf fast 2000 Disketten. Das machte CD-Roms nicht nur für Software-Anbieter interessant, sondern auch für Verlage. Gerade für Nachschlagewerke, Gesetzestexte oder Zeitschriften-Archive schien sich ein völlig neuer Absatzmarkt zu entwickeln.
Zu den ersten veröffentlichten Titeln überhaupt gehörte Grolier’s Academic American Encyclopedia on CD-ROM im Jahr 1985. Sie enthielt 30.000 Artikel und insgesamt 9 Millionen Worte der gedruckten Ausgabe, allerdings keine Bilder. Im Gegensatz zu gedruckten Werken waren die CD-Rom-Versionen nicht nur günstiger, sie wurden auch einmal pro Jahr komplett aktualisiert.
Neben Text und Bildern ließen sich natürlich auch Töne und Videos einbinden. Ein Grund dafür, dass neben Universitätsbibliotheken und Anwaltskanzleien auch die Geeks das neue Medium entdeckten. Bereits 1988 stellte Kevin Kelly den Lesern des legendären „Whole Earth Catalogs“ diese neue Technologie in einer Sonderausgabe vor:
„Hier kommt eine exklusive Vorwarnung betreffs einer universellen neuen Speichertechnologie für Bilder, Texte, Video, Software. Sie stützt sich auf die selben Compact Discs (CDs), die in den letzten Jahren bereits die Musikindustrie auf den Kopf gestellt hat. Eine komplette Bibliothek wird auf die Größe eines Schuhkartons komprimiert, und alle enthaltenen Informationen lassen sich sofort aufrufen. Ob die Welt dieses neue Medium wirklich wünscht, ist noch nicht ganz klar, doch es lässt sich ohnehin nicht mehr aufhalten, und wird auf jeden Fall das
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