Vom Dämon gezeichnet - Rowland, D: Vom Dämon gezeichnet
darauf mit gerunzelter Stirn.
Ich suchte ebenfalls ihren Rücken ab, um herauszufinden, was er für interessant hielt. Aber ich sah nur weitere dieser präzisen Schnitte zwischen den Leichenflecken.
»Da sind Verletzungen, die von einem Sturz herrühren.« Er tastete ihren Hinterkopf ab, glitt dann mit seinen Händen zu ihren Hüften, packte ihr Becken und verschob es in geradezu unnatürlicher Weise. »Aus einer erheblichen Höhe, würde ich sagen. Drei, vielleicht sogar sechs Meter. Es sieht aus, als sei sie hauptsächlich auf dem Rücken und ihrer linken Seite gelandet. Ihr Becken ist zerschmettert. Ihr Hinterkopf völlig zertrümmert, genauso wie ihre Schulter.« Er nahm sich Carls Kamera und machte eine Reihe von Fotos, während der Sektionsgehilfe die Leiche in Seitenlage hielt. Dann bedeutete der Doc seinem Assistenten, das Mädchen wieder auf den Rücken zu legen.
»War sie noch am Leben?«, fragte ich. »Könnte das die Todesursache sein?«
Der Pathologe schüttelte den Kopf. »Sie hat Hautabschürfungen, aber es gibt keine Hämatome oder Schwellungen. Es muss passiert sein, als sie bereits tot war.«
Ich dachte an die großen Behälter der Kläranlage. Hatte der Killer die Leiche vielleicht eine der Leitern hinaufgetragen, um sie darauf abzulegen? Vielleicht hatte er sie fallen lassen? Das wäre eine Erklärung dafür, warum diese Leiche so viel leichter zu finden gewesen war. Wenn er sie auf einem der Behälter entsorgt hätte, wäre sehr viel mehr Zeit verstrichen.
Der Doc untersuchte weiter die Verletzungen des Mädchens. »Einige dieser Schnitte sind verheilt oder waren zumindest gerade dabei.«
Das hörte ich gar nicht gern. »Wie verheilt? Ich meine, wie lange hat er ihr diesen Scheiß denn angetan?«
»Ein paar Tage. Vielleicht eine Woche.« Er deutete auf ihren einen Unterschenkel, der verschorft war. »Ich glaube, nicht länger als eine Woche.«
Scheiße! »Das ist eine verdammt lange Zeit, wenn man gefoltert wird.«
»Und ich habe das dumme Gefühl, dass wir noch mehr davon sehen werden«, erklärte er, griff nach seinem Skalpell und begann den Y-Schnitt zu setzen. »Ich denke, unser Junge hat sich nach seinem kleinen Urlaub wieder an die Arbeit gemacht.«
Ich verzog zustimmend das Gesicht, während ich ein paar Schritte von dem Metalltisch zurückwich – weit genug, um nicht aus Versehen irgendwelche Blutspritzer abzubekommen, aber immer noch dicht genug, um zu sehen, ob es irgendetwas Interessantes oder Ungewöhnliches zu entdecken gab. Es war offensichtlich, dass Dr. Lanza schon mehrere Tausend Obduktionen durchgeführt hatte. Innerhalb einer halben Minute hatte er den Y-Schnitt gesetzt und die Hautlappen des Oberkörpers zurückgeklappt. Aber sobald er in den Körper eintauchte, arbeitete er akribisch und gründlich und vermerkte jede Blutansammlung und Unregelmäßigkeit vollkommen präzise.
Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich in der Nähe des Docs ausgesprochen wohl. Er gehörte zu den wenigen Leuten, die mir nie das Gefühl gaben, fehl am Platz zu sein. Vielleicht kam es daher, dass er auf Augenhöhe mit mir sprach, obwohl er mir in Bezug auf seine Erfahrung, seine Ausbildung und sein Wissen Lichtjahre voraus war. Vielleicht kam es auch daher, dass er so unglaublich geduldig meine Fragen beantwortete, über Traumata und den menschlichen Körper überhaupt, selbst wenn ich wusste, dass die Fragen dämlich waren. Er verhielt sich nie so, als wären meine Fragen albern, selbst wenn ich spürte, wie die anderen Detectives die Augen verdrehten. Er gab mir immer eine geduldige und ausführliche Erklärung und verband die Antwort dann mit irgendeinem Aspekt aus dem jeweiligen Fall, an dem ich arbeitete.
»Also, Kara …«, sagte der Doc, während er die Lungen aus der Körperhöhle entfernte, »wie ist es Ihnen gelungen, ins Morddezernat versetzt zu werden und sich gleich als Erstes diesen Fall zu schnappen?«
Ich zuckte die Achseln. »Der Captain hat gesagt, ich hätte mir bei den Eigentumsdelikten oft genug ein Bein ausgerissen, und einen so wichtigen Fall wie diesen zu leiten, wäre eine gute Erfahrung für mich.«
Er sah zu mir auf, einen Lungenflügel in der Hand. »Das ist aber ein ziemlich großer Vertrauensvorschuss.«
Ich lächelte schief. »Und jetzt muss ich dafür sorgen, dass ich ihn nicht enttäusche.«
Er legte den Lungenflügel auf das Schneidbrett und schnitt ihn auf der Suche nach irgendwelchen Schäden in dünne Scheiben. »Sie haben ein Team, Sie haben Ihre
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