Vom Dämon gezeichnet - Rowland, D: Vom Dämon gezeichnet
Tante war wie ein Schlag ins Gesicht. »Sag mir einfach, was passiert ist.«
Ich stöhnte und ließ meinen Kopf auf den Tresen vor mir fallen. »Ich hab ihn gefickt. Oder vielmehr, er hat mich gefickt. Okay, wir haben miteinander gefickt. Gefickt! «
Meine Tante schwieg, und nach einem Moment wagte ich es, meinen Kopf etwas zu heben und ihr einen Blick zuzuwerfen. Tessa starrte vor sich in die Luft und kaute an ihrer Unterlippe.
»Was hat er gesagt?«, fragte Tessa nach einem Augenblick.
»Wann? Vorher, währenddessen oder hinterher?«
Tessa stieß ein kurzes Lachen aus. »Ich kann mir so ungefähr vorstellen, was ihr währenddessen gesagt habt. ›Oh, Baby, ja, ja, ja!‹ oder irgend so etwas Ähnliches.«
Ich lächelte reumütig. »Nicht ganz, aber ich glaube, das ist auch nicht so wichtig.«
»Also, was hat er hinterher gesagt, du kleine Schlampe?«
Ich richtete mich wieder auf. »Er hat gesagt, er wisse, dass ich nicht ihn gerufen habe.«
Tessa runzelte die Stirn. »Und was dann?«
»Er hat sich angezogen und gesagt: ›Kara Gillian, du darfst mich rufen, wann immer du mich brauchst.‹ Und dann war er weg.«
Tessa stand auf, brachte ihre Tasse zur Spüle und ließ Wasser hineinlaufen. Sie drehte mir den Rücken zu. »Ich weiß nicht, Süße. Das klingt ziemlich … seltsam.«
Ich sah meiner Tante zu, wie sie die Tasse abwusch. Ich sah, wie ihre Hände zitterten, als sie sie abtrocknete, und mir wurde schlagartig klar, dass Tessa ziemlich aufgeregt war. Sie drehte mir den Rücken zu, damit ich es nicht bemerkte.
»Ja, es ist schon irgendwie verrückt«, stimmte ich ihr zu und ließ ihr Zeit, sich zu erholen. »Ich dachte, ich sei tot, und dann hat er offenbar seine Meinung geändert. Aber das ist jetzt auch egal. Ich meine, natürlich werde ich ihn nicht wieder beschwören.« Aber er kann in meine Träume kommen …
Tessa wandte sich zu mir um, die Finger ins Geschirrtuch gekrallt. »Nein, du dummes Mädchen, du kapierst es nicht. Du brauchst ihn jetzt nicht mehr zu beschwören. Du kannst ihn einfach zu dir rufen.«
Ich blinzelte verblüfft. »Okay, ja, ich verstehe, aber …« Ich hielt inne, dann schüttelte ich den Kopf. »Okay, vielleicht verstehe ich es auch nicht. Ich kann ihn rufen, ohne ein Beschwörungsritual durchzuführen?« War es das, was er gemeint hatte? Was war so besonders daran?
Tessa trocknete sich schnell die Hände ab. »Genau das hat er gesagt. Ruf ihn. Ruf ihn entschlossen zu dir. Nur ganz normal seinen Namen zu sagen, wird nicht reichen, und das ist auch gut so, wenn man dich über ihn reden hört.« Ihr Ton hatte eine leichte Schärfe, was irgendwie erleichternd war. Sie wurde langsam wieder sie selbst. »Aber er hat jetzt irgendeine Art von Verbindung zu dir aufgebaut. Ich habe von solchen Dingen schon gelesen, aber nur in uralten Schriften.« Sie hängte das Geschirrtuch zurück an seinen Platz. »Das Problem ist lediglich … auch wenn du ihn rufst, hast du immer noch keinerlei Kontrolle über ihn. Du holst ihn nur in unsere Sphäre.« Sie drehte sich zu mir um und sah mich todernst an. »Er ist dann hier bei uns ohne jede Beschränkung, ohne jede Bedingung, ohne dass er an irgendeinen Ehrenkodex gebunden ist, der ihn im Zaum hält. Denke nicht einmal daran, ihn zu rufen, Kara.«
»Das tu ich auch nicht!« Ich hob beide Hände. »Denkst du, ich bin völlig durchgeknallt?«
Tessa runzelte die Stirn. »Jetzt ist es aber gut, Kara. Natürlich tue ich das nicht. Ich möchte nur sicher sein, dass du das Ausmaß der Gefahr verstehst.«
»Ich werde ihn nicht rufen«, wiederholte ich mit einem Seufzer.
Tessa nickte kurz. »Das ist gut zu hören, denn das Letzte, was diese Welt braucht, ist ein ungezähmter Rhyzkahl, der versucht, seinen Machtbereich auszudehnen. Das wäre schlimmer als ein Rhyzkahl, der von einem skrupellosen Beschwörer gerufen und kontrolliert wird.«
Ich runzelte die Stirn. »Warte mal. Er kann also beschworen werden – und kontrolliert?«
Tessa ließ sich auf ihren Hocker fallen. »Es ist möglich, denke ich. Aber die Kräfte und die Vorbereitungen, die dazu nötig wären, sind unglaublich.«
Ein irgendwie ekliges Gefühl kroch meine Wirbelsäule hinauf. Aber dies war nicht der Zeitpunkt, um es genauer zu erforschen. Stattdessen nahm ich meine Tasse und brachte sie zur Spüle.
»Hey, meinst du, ich könnte mir mal die Graphic Novel ausleihen, die du mir neulich gezeigt hast?«, erkundigte ich mich, während ich die Tasse abwusch und abtrocknete.
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