Vom Daemon verweht
krank?« Father Oliver war zwar nicht mehr jung gewesen, doch als ich ihm das letzte Mal begegnet war, hatte er sich bester Gesundheit erfreut.
»Ja, er hatte Krebs«, erklärte die junge Frau. »Er war sehr beliebt. Ich muss sagen, dass er auch mir wirklich fehlt. Manchmal haben wir zusammen Mittag gegessen.«
»Hat er irgendetwas hinterlassen?« Es war zwar sehr unwahrscheinlich, aber ich musste fragen. Schließlich war Father Oliver meine letzte Verbindung zu Eric. Falls sich dieser Besuch als Sackgasse herausstellte, würde ich das quälende Gefühl, meinen Mann enttäuscht zu haben, noch wesentlich stärker empfinden.
»Was meinen Sie damit?«, fragte sie.
»Ich weiß es nicht so genau. Aber vielleicht gibt es irgendwelche Briefe, oder er hat besondere Anweisungen hinterlassen – in einem Testament oder so.«
»Ich glaube, dass er alles, was er besaß, der Kirche vermacht hat.«
»Seine Habseligkeiten – klar, das verstehe ich. Aber vielleicht hat er ja für seine Freunde Briefe hinterlassen. Es klingt doch ganz so, als ob er gewusst hätte, dass er bald sterben würde, und da dachte ich…« Ich brach ab, da ich nicht weitersprechen konnte. Plötzlich hatte ich einen Frosch im Hals, und mir stiegen die Tränen in die Augen.
»Wir wollen nur wissen, ob er meiner Mutter einen Brief hinterlassen hat. Oder vielleicht auch meinem Vater«, sprang Allie ein.
»Ich glaube eigentlich nicht«, erwiderte die junge Frau. Sie warf mir einen mitleidigen Blick zu, als ob sie befürchtete, dass ich mich jeden Augenblick in Tränen auflösen könnte. »Aber am besten frage ich Father Carey. Wie heißen Sie?«, erkundigte sie sich.
»Crowe«, sagte Allie und kam mir auf einmal viel älter als vierzehn Jahre vor. »Katherine oder Eric Crowe.«
Die junge Frau stand auf und verließ durch eine Hintertür schweigend das Büro.
»Alles in Ordnung, Mami?«
Ich schniefte. »Ja, geht schon. Danke.« Die Nachricht hatte mich ziemlich mitgenommen. »Wann bist du eigentlich erwachsen geworden?«
»Wenn ich schon so erwachsen bin – warum kann ich dann nicht mit Jungs ausgehen?«
»Und auch noch clever«, fügte ich hinzu. »Ich habe wirklich ein verdammt schlaues, erwachsenes Kind.«
»Was nützen mir deine Komplimente?«, fragte Allie herausfordernd.
»Nicht viel.«
»Diese Auseinandersetzung werde ich wohl nicht gewinnen – was?«
»Warte noch zwei Jahre. Irgendwann werde ich schon nachgeben.«
»Danke«, erwiderte sie. »Herzlichen Dank.«
Es blieb mir erspart, mir eine weitere Antwort zu überlegen, da die Frau ins Pfarrbüro zurückkehrte. Ihr folgte ein weißhaariger Priester mit einem leicht gebeugten Gang und einem freundlichen Lächeln auf den Lippen.
»Guten Morgen«, begrüßte er uns. »Ich bin Father Carey. Und Sie müssen Katherine Crowe sein.«
Ich nickte. »Inzwischen heiße ich allerdings Connor.«
»Ja, natürlich. Ich habe vom Tod Ihres Mannes gehört. Mein herzliches Beileid.«
»Vielen Dank«, erwiderte ich automatisch, ehe mir bewusst wurde, was er da eigentlich gerade gesagt hatte. »Sie haben von Erics Tod gehört? Über Father Oliver?« Wahrscheinlich sollte ich mich gar nicht wundern. Schließlich hatte ich damals jedem, den ich in der Forza kannte, Bescheid gegeben. Aber Father Carey gehörte nicht zur Forza, und es überraschte mich, dass Father Oliver ihm gegenüber Erics Tod erwähnt hatte.
»Ich habe sehr gern mit ihm geplaudert, wenn er Father Oliver besucht hat. Ihr Mann war wirklich ausgesprochen charmant.«
»Ja«, brachte ich heraus, wobei ich hoffte, nicht ganz so fassungslos zu klingen, wie ich mich fühlte. »Das sagen viele.«
Allies Blick wanderte zwischen mir und Father Carey hin und her. Sie wirkte nachdenklich. »Also… Hat Father Oliver etwas für meine Mutter hinterlassen?«
»Gretchen sagte mir schon, dass Sie danach gefragt haben. Aber ich muss Sie leider enttäuschen. Father Oliver hinterließ kein Testament oder spezielle Anweisungen. Ich bin selbst seine Habseligkeiten durchgegangen und kann Ihnen versichern, dass sich darunter keine Papiere oder Briefe befanden, die für Sie von Interesse sein könnten.«
»Verstehe«, murmelte ich. »Na ja. Da kann man wohl nichts machen. Vielen Dank.«
Ich wandte mich zum Gehen, hielt dann aber inne. »Noch eine letzte Frage: Wie oft hat Eric eigentlich Father Oliver besucht?«
Father Careys graue Augen sahen mich mitfühlend an. Ich wollte kein Mitgefühl. Ich wollte nicht, dass irgendjemand – vor allem nicht Allie
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