Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)
an meiner Stirn rum. »Du hast da einen Mitesser.«
»Wo?«
»Hier.«
»Was machst du da?«
»Ihn ausdrücken. Halt still wie ein Mann.«
Der Mitesser war direkt über einer Braue, und es dauerte ein paar Sekunden, bis sie ihn ausgedrückt hatte. Es tat deutlich mehr weh, als ich gedacht hätte. Als sie fertig war, küsste sie mich auf die Stirn und umarmte mich wieder.
»Wir leisten einander einfach nur Gesellschaft«, sagte sie.
»Ich fasse es nicht, dass ich dich geküsst habe.«
»Warum denn nicht?«
»Weil ich es so sehr wollte.«
Ich versuchte nur, das Gespräch am Laufen zu halten, solange wir darauf warteten, uns wieder zu küssen, aber da wusste ich gleich, dass ich etwas Falsches gesagt hatte. Julia zeigte wieder ihre Sorgenfalten und schob mich an der Brust weg.
»Wir sind wahrscheinlich nur ein bisschen einsam, Joe, aber das darf nichts bedeuten, ja? Das musst du mir versprechen.«
»Versprochen.«
»Du darfst mich nicht zu sehr mögen.«
»Mach ich auch nicht.«
»Küssen ist doch eh nichts Besonderes. Ginger und ich hatten einen Küsswettbewerb, als sie letzten Sommer mit meiner Familie nach Quebec mitgekommen ist. Ich habe neun Jungen geküsst, Ginger dreizehn. Aber wir haben uns ja nicht in diese Jungs verliebt. Wie viele Mädchen hast du bisher geküsst?«
»Zwei.«
»Ach, komm.«
»Es stimmt.«
»Das glaube ich dir nicht.«
Ich hatte an beide Mädchen ziemlich lange nicht mehr gedacht, aber ich konnte sie mir beide noch ganz gut vorstellen. »Das erste Mädchen hab ich in der Achten im Schulbus geküsst. Auf den Mund, allerdings nur ganz kurz. Das zweite Mädchen hat am Basketballplatz Eis verkauft, das ist drei Jahre her. Sie hat auf Alvin gestanden, und sie wollte ihn auf sich aufmerksam machen, indem sie so tat, als würde sie auf mich stehen. Ich habe sie aber nur auf die Wange geküsst. Überhaupt wünschte ich, ich hätte sie beide nicht geküsst.«
»Warum?«
»Weil das hier dann jetzt mein erstes Mal gewesen wäre, dass ich jemanden küsse.«
Julia wurde am ganzen Körper ein bisschen steif, und da wusste ich, dass ich wieder einen schrecklichen Fehler gemacht hatte. Sie schubste mich nicht vom Bett oder so, aber ich wusste, dass sie es irgendwie wollte.
»Wir sollten wahrscheinlich einfach schlafen«, sagte sie. »Wir müssen morgen wieder lange fahren.«
»Okay.«
»Heute Nacht schlafe ich auf dem Sofa.«
»Ich hab bloß so geredet«, sagte ich. »Ich weiß gar nicht mehr, was ich gesagt hab.«
»Es tut mir leid, Joe. Ich kann mich jetzt einfach in keinen Jungen verlieben.«
»Ich nehme alles zurück.«
»Wir sollten jetzt wohl besser schlafen.«
Es spielte keine Rolle, was ich sagte. Julia stand schon auf, aber ich hielt sie zurück und legte mich aufs Sofa. Und wie in der Nacht davor dauerte es ewig, bis ich eingeschlafen war. Die ganze Nacht rauschten Flugzeuge über unser Hotelzimmer, während ich überlegte, wo ich was falsch gemacht hatte. Eine Stunde später war ich immer noch wach, als sich Julia, die Augen aufgerissen, im Bett aufsetzte und eine Phantasieleiter hochstieg. Inzwischen wusste ich ungefähr, was mich erwartete.
»Wir werden nicht genug fürs Frühstück haben«, sagte sie. »Nie ist genug da.«
Ich setzte mich auf. »Du schläfst«, sagte ich, obwohl ich wusste, dass sie mich nicht hörte. »Wir haben doch schon die ganzen Flakes und Obst gekauft. Außerdem gibt’s unten auch Frühstück.«
Sie sah mich nicht an. »Ich habe Angst.«
»Du brauchst keine Angst zu haben.«
»Ich habe Angst, aufs College zu gehen«, sagte sie. »Und ich habe zu viel Pizza gegessen, und jetzt komme ich mir ganz fett vor.«
»Du musst einfach wieder einschlafen«, sagte ich.
»Ich war täglich joggen, aber das geht jetzt nicht mehr, wegen meines Fußes. Ich war bei so vielen Ärzten, und die sind alle beschissen.«
»Was ist denn mit deinem Fuß?«
»Ich glaube, ich habe auch wieder ein Loch im Zahn. Das habe ich heute Morgen gemerkt. Und ich glaube, ich habe vielleicht auch eine Weizenallergie.«
»Bitte«, sagte ich. »Entspann dich einfach mal.«
»Ich begreife deine Klamotten nicht«, sagte sie. »Ich finde deine Hose viel zu groß. Fast alles, was ich bisher an dir gesehen habe, finde ich blöd.«
Ich stand auf und ging zu ihr. »Möchtest du dich nicht wieder hinlegen?«
»Es ist gefährlich, wenn du dich in mich verliebst«, sagte sie. »Wir kommen aus verschiedenen Welten. Wir sind nicht füreinander gemacht.«
Ich setzte mich aufs Bett.
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