Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)
Waise sei, wusste aber nicht mehr, ob ich ihn hier nicht schon einmal belogen hatte.
»Was für ein Blatt hatten sie?«
»Mr Manning hatte vier Könige.«
»Und dein Vater?«
»Der bluffte.«
»Wow.«
»Ja, so war er. Ich war fünf Jahre alt. Als Mr Manning hörte, was passiert war, fühlte er sich so elend, dass er mich adoptierte. Letztlich kam er zu einem männlichen Kind nur, indem er eins beim Poker gewann. So jedenfalls der Witz, den man sich erzählt.«
Ich musste mir immerzu vorstellen, wie fertig Houstons Vater nach diesem Blatt gewesen sein muss. Ich hatte ja selbst schon furchtbare Entscheidungen am Pokertisch getroffen, aber nie mehr als hundert Dollar an einem Tag verloren.
Ich hoffe, ich bin nie so schlimm auf Tilt
, dachte ich.
Und verliere beim Poker mein Kind. Und sterbe.
»Als ich größer wurde, erkannte ich, dass ich beim besseren Mann gelandet war«, sagte Houston. »Mein Vater setzte etwas, was er nicht hatte, und wählte dann den feigen Ausweg. Mr Manning übernahm Verantwortung für etwas, für das er nichts konnte. Ohne Mr Manning wäre mein ganzes Leben ein Glücksspiel gewesen. Je mehr ich über die Welt erfahre, desto mehr verblüfft mich seine Großzügigkeit.«
Jetzt beugte Houston sich zu mir rüber. Ich weiß noch, dass eines seiner Lider ein bisschen flatterte, und beide Augen waren so weit aufgerissen, dass man sah, wie rund die Augäpfel waren.
»Also ja, es ärgerte mich, wie so ein selbstgerechter Highschool-Abbrecher nicht nur über ihn urteilte, sondern auch Julia Sachen einflüsterte und sie gegen ihn aufhetzte. Dieser Kerl wollte, dass Julia den Kontakt mit ihrer eigenen Familie abbrach – die Schule sausen ließ –, alles nur, um der verrückten Phantasie einer Weltumsegelung nachzujagen. Das habe ich schon kommen sehen, als er hierherkam: wie er sie isolierte – sie eigenartig und distanziert machte. Damit will ich nicht sagen, dass ich ihn deswegen gefeuert habe, aber auf jeden Fall hat es mir die Sache erleichtert. Und als ich dann nicht mehr sein Chef war, sagte ich ihm genau, was ich von ihm hielt und dass er im Hotel nicht mehr willkommen sei.«
Es fiel mir nicht schwer, mir vorzustellen, wie Alvin versuchte, Julia von jedem, den sie kannte, zu entfremden, denn das hatte er im Grunde auch mit mir gemacht. Houston schloss die Augen und holte tief Luft. Dann öffnete er die Faust vor sich und legte die Hand sachte auf den Tisch.
»Mach dir keine Gedanken, Joe. Du bist da vollkommen anders, das weiß ich.«
»Wie meinst du das?«
»Ach, bitte. Glaubst du etwa, ich weiß nichts von deiner kleinen Verliebtheit?«
»Ach, wirklich?«
»Ich finde es gut, dass du eine professionelle Einstellung zu deinem Job hast. Aber ich hätte es auch gemerkt, wenn Cecily es mir nicht gesagt hätte.« Er lachte. »Julia steht offenbar auf Poolwarte.«
»Scheint so.«
»Keine Sorge. Bei dir habe ich ein anderes Gefühl. Diesmal bin ich total dafür.«
»Wegen meines Gesichts?«
»Hm, ja, klar, wegen deines Gesichts.« Wieder lachte Houston auf. »Aber das ist nicht alles. Du tust ihr offensichtlich gut. Ich habe nicht das Gefühl, dass du sie stresst.«
»Cecily meint, ich könnte nur so ein Sommerding für sie sein, und das war’s dann.«
»Na ja, Cecily ist vierzehn. Vermutlich sieht sie eine ganze Menge falsch.«
»Was meinst du?«
»Ich weiß nur, dass ich dir die Daumen drücke. Ich bin einfach froh, dass Julia sich wieder in die richtige Richtung bewegt.«
Houston lächelte mich an, und da hatte ich einen Moment lang das miese Gefühl, Alvin zu betrügen, weil ich Houston zustimmte, aber ich konnte nicht anders. Ich wusste, dass Julia mit mir besser dran war. Ich würde mich besser um sie kümmern, als Alvin es konnte, und was sie sonst noch brauchte, konnte ich ja lernen.
»Ich weiß jetzt das Nächste, das du mir beibringen kannst«, sagte ich.
»Okay.«
»Eigentlich sind es ein paar Dinge.«
»Vielleicht machen wir lieber eins nach dem anderen.«
»Ich möchte wieder lernen, wie unterschiedliche Sachen schmecken.«
Dann erklärte ich ihm mein spezielles Problem mit dem Essen und dass ich nur Pizza und Cheeseburger und das schlimmste, ungesündeste Schrottessen essen konnte. Houston hörte aufmerksam zu und beschloss, das Problem auf der Stelle anzupacken, gleich da im McDonald’s. Er schnitt ungefähr ein Viertel seines Chicken-Sandwiches ab, schlug es in eine Serviette ein und gab es mir.
»Versuch doch mal davon was.«
»Meistens mag ich Huhn
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