Vom Geist der Dorsai
letzter Sicherheit lokalisieren. Ich warte hier eine Weile. Und wenn er dann noch nicht zurück ist, könnten Sie für mich anrufen und herausfinden, wie es dort drüben steht.“
„Und bis dahin hätten Sie Gelegenheit zu einem kleinen Nickerchen“, sagte Mene.
„Nein, ich muß noch einige Dinge erledigen“, widersprach Amanda.
Aber schließlich legte sie sich doch hin. Mene weckte sie per Interkom, und Amanda stellte fest, daß anderthalb Stunden vergangen waren. Sie trat ins Wohnzimmer der Aras-Heimstatt und fand dort Tosca selbst vor; sein gebrochenes Bein war lang und steif auf der Couch ausgestreckt. Mene und Ekram leisteten dem alten General Gesellschaft und tranken einen Cocktail vor dem Abendessen.
„Amanda!“ rief Mene aus. „Das mit Betta war falscher Alarm.“
„Puh!“ Amanda zog einen Sessel zu sich heran und ließ sich erleichtert hineinfallen. „Die Schmerzen haben aufgehört?“
„Noch bevor Ekram dort war.“
Amanda wandte den Blick und sah den Arzt über den Tisch hinweg an. Es war ein kräftiger, etwa dreißig Jahre alter Mann mit sonnengebräuntem Gesicht, einem dichten schwarzen Haarschopf und einem buschigen, ebenfalls schwarzen Oberlippenbart.
„Wahrscheinlich braucht sie mich überhaupt nicht“, sagte er zu Amanda. „Ich schätze, ihre Geburt wird zu den leichtesten und problemlosesten gehören, die hier jemals registriert worden sind.“
„Das können Sie nicht mit Sicherheit wissen“, gab Amanda zurück.
„Natürlich nicht“, sagte Ekram. „Ich habe Ihnen nur meine persönliche Meinung gesagt.“
Plötzlich begriff sie, daß Ekram genau wie alle anderen auch unter emotionalem Streß stand, seit die Invasion konkret geworden war. Ihr wurde mit einemmal bewußt, daß Tosca ihr den Arm entgegenstreckte.
„Hier“, sagte er. Er reichte ihr ein Glas.
„Was ist das? Whisky? Tosca, ich darf nicht …“
„Heute abend gehen Sie nirgendwo mehr hin“, unterbrach er sie. „Trinken Sie.“
Sie bemerkte nun, daß auch die anderen Gläser in Händen hielten.
„Und dann können Sie hier zu Abend essen“, sagte Tosca.
„Na schön.“ Sie nahm das Glas entgegen und nippte vorsichtig daran. Tosca hatte den hochprozentigen Alkohol mit ausreichend Wasser verdünnt, so daß der Drink jene Art von Mischung darstellte, an der sie einen gewissen Gefallen fand. Über den Rand ihres Glases hinweg musterte sie den Arzt.
„Ekram“, sagte sie. „Ich habe zwei jungen Gruppenangehörigen die Aufgabe übertragen, unmittelbar außerhalb des Lagers Lauschaktionen durchzuführen. Sie berichteten, die Soldaten hätten davon gesprochen, in der Stadt sei jemand erkrankt … eine alte Frau …“
„Berthe.“ Er stellte sein Glas auf den kleinen Teetisch neben der Couch, auf der er saß, und seine Miene verfinsterte sich ein wenig. „Ich sollte sie aufsuchen.“
„Nein“, widersprach Tosca.
„Wenn Sie in die Stadt gehen, lassen sie Sie vielleicht nicht wieder raus“, sagte Amanda. „Außerdem haben sie dort Militärmediziner.“
„Ja“, entgegnete Ekram. „Einen voll ausgebildeten Arzt, einen Oberstleutnant – ich nehme an, seine Aufgabe besteht vor allem darin, sich um das Wohl dieses Dow deCastries zu kümmern, als die Mannschaften zu behandeln. Ich habe über Funk mit ihm gesprochen. Ich gewann den Eindruck, er ist so eine Art für den Dienst hier versetzter Beamter. Er ist eigentlich mehr ein Chirurg, aber er scheint tüchtig zu sein, und er versicherte mir, er würde sich auch um die Leute in der Stadt kümmern, solange ich nicht da sei. Er geht natürlich davon aus, daß ich die meiste Zeit über zugegen bin.“
„Sie sagten ihm, daß Sie hier alle Hände voll zu tun haben?“
„Oh ja.“ Ekram kaute an einer Ecke seines Schnurrbarts, und das war eine Verhaltensweise, die er sonst fast nie zeigte. „Ich erklärte ihm, daß die meisten Mütter mit kleinen Kindern derzeit auf dem Land seien und ich deshalb …“
Seine Worte verklangen.
„Und das nahm er ihnen einfach so ab?“
„Ob er es mir abnahm? Selbstverständlich tat er das. Amanda …“ – er bedachte sie mit einem durchdringenden Blick – „… ich hoffe, Sie wissen, daß es nicht Teil meines Berufs ist, Menschen keine Beachtung zu schenken.“
„Wen ignorieren Sie denn? Berthe? Sie sagten die Wahrheit. Überall hier außerhalb der Stadt gibt es Patienten, die Sie brauchen.“
„Ja“, gab er zurück.
Aber sein Blick war trüb und kalt. Er glitt von Amanda ab und wandte sich dem nicht
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