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Vom Himmel hoch

Vom Himmel hoch

Titel: Vom Himmel hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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seiner Westentasche und
zog die von Schönborns Witwe unterzeichnete Erklärung hervor. Er reichte sie
über den Schreibtisch.
    Rostock-Scheppner warf einen kurzen Blick auf die
schwarzen Trauerränder unter Große Jägers Fingernägeln und nahm das Papier mit
spitzen Fingern entgegen.
    Er las es langsam durch, legte es auf die
Schreibtischkante und strich es mit der Handfläche glatt.
    »Was wollen Sie?«, fragte er vorsichtig.
    »Da Sie mir immer noch nicht gesagt haben, ob Sie
zuständig sind, beginne ich jetzt mit der Vernehmung.«
    »Vernehmung?«, fragte der Finanzbeamte gedehnt.
    »Ja, Vernehmung. Im Todesfall zum Nachteil des Kurt
Schönborn«, formulierte der Oberkommissar bewusst umständlich. »Kurt Schönborn
ist tot. Und nun ermitteln wir, wer dafür zur Rechenschaft zu ziehen ist. Eine
unserer Spuren führt dabei zu Ihnen.«
    Der Mann lachte zynisch auf. »Das ist doch absurd. Wir
sind eine Behörde.«
    »Eben. Und deshalb werden an Sie besondere Ansprüche
hinsichtlich der Einhaltung von Recht und Gesetz gefordert. Und so vernehme ich
Sie.«
    »Seit wann kümmert sich die Polizei um steuerliche
Vorgänge?«, wollte Rostock-Scheppner wissen. Er hatte einen Teil seiner
Überheblichkeit verloren.
    »Das habe ich Ihnen schon erklärt. Weil ein Mensch zu
Tode gekommen ist. Und deshalb interessieren uns zur Aufklärung die
persönlichen Lebensumstände des Opfers. Im vorliegenden Fall ist es nicht
auszuschließen, dass die übermäßige Verfolgung des Finanzamtes Kurt Schönborn
in den Tod gejagt hat.«
    Der Beamte lehnte sich zurück. Er war in dieser für
ihn ungewohnten Situation sichtlich überfordert.
    »Wir tun nur unsere Pflicht. Es ist eine hoheitliche
Aufgabe, die rechtmäßigen Steuern beizutreiben. Als Polizist sollten Sie
wissen, dass Steuerhinterziehung ein ernsthafter Straftatbestand ist.«
    »Der härter geahndet wird als manche Gewaltverbrechen,
mit denen wir uns beschäftigen müssen«, warf Große Jäger ein.
    Sein Gegenüber gab spitz zurück: »Wir führen nur aus,
was der Gesetzgeber beschlossen hat.«
    Der Oberkommissar beugte sich über den Schreibtisch,
sodass der Mann erschrocken ein Stück zurückwich.
    »Sie lügen. Die ganzen unverständlichen
Ausführungsbestimmungen stehen in keinem Gesetz, sondern sind der Phantasie des
Beamtenapparates entsprungen. Aber werfen Sie hier keine Nebelkerzen. Mich
interessiert nur der Fall Schönborn.«
    Der Finanzbeamte sah ihn irritiert an, bevor er sich
zu einer ausweichenden Antwort entschloss.
    »Das ist ein steuerlich schwieriges Thema. Ich glaube
kaum, dass ich es Ihnen in wenigen Sätzen auseinander setzen kann.«
    Große Jäger machte eine wegwerfende Geste. »Dann
erkläre ich es Ihnen mit meinen Worten. Kurt Schönborn hat über zehn Jahre brav
seine Steuern bezahlt. Nie gab es Beanstandungen. Er hat sich dabei aus den
berühmten steuerlichen Gründen einer Ein-Mann-Gesellschaft bedient. Plötzlich
kommen Sie auf die Idee, er müsse die von ihm erbrachten Dienstleistungen als
kleiner Einzelunternehmer versteuern, und fordern für mehrere Jahre noch einmal
die Steuer nach. Die hat der Mann nicht, insbesondere da er nicht einsieht, für
sein bereits versteuertes Einkommen ein zweites Mal dem Finanzamt Tribut zu
zollen.«
    »Die erste Steuer hätte er am Ende des Verfahrens
erstattet bekommen«, warf der Finanzbeamte ein.
    Große Jäger wischte die Bemerkung mit einer
Handbewegung zur Seite. »Erst einmal hätte Schönborn die zweite Steuer zahlen
müssen und dann – vielleicht Jahre später – eine Erstattung erhalten. Wo sollte
der Mann das hernehmen?«
    Rostock-Scheppner verschränkte die Arme vor seiner Brust.
»Das ist die Rechtslage«, gab er zu bedenken. »Das mag im Einzelfall ein
bedauerlicher Zustand sein, aber so sind nun einmal die Vorschriften. Ich habe
sie nicht gemacht.«
    »Und damit ruinieren Sie das Leben einer Familie?«
    Der Beamte zuckte müde mit den Schultern. »Jedem
Bürger steht es frei, der Interpretation des Finanzamtes auf dem Klageweg zu
begegnen.«
    »Und wie lange dauert es, bis der Prozess durch ist?«
Große Jäger hatte sich in Rage geredet.
    Der Mann auf der anderen Schreibtischseite spitzte die
Lippen. »Derzeit liegen wir bei einer Wartezeit von etwa fünf Jahren.«
    »Und das nehmen Sie gelassen hin, nur weil das
Finanzamt eine Idee hat, die in diesem Fall nicht einmal durch nachweisbare
Vorschriften begründet ist?«
    »Das Steuerrecht wird ständig durch die Rechtsprechung
weitergebildet. Dazu

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