Vom Himmel hoch
hochsensibles
Thema.«
Große Jäger versuchte ihm klar zu machen, dass an die
Polizei weitergegebene Informationen mit Sicherheit nicht an die breite
Öffentlichkeit gelangen würden. Doch der Däne blieb skeptisch.
»Warum fragst du Doris nicht selbst?«, wollte er
wissen. Sørensen benutzte wie selbstverständlich das »Du«, wie es im
Nachbarland auch unter Fremden üblich war.
»Wir wollten sie darauf noch nicht ansprechen. Kennst
du die Hintergründe?«
Sørensen überlegte einen Moment. Er war sich über
seine Antwort nicht schlüssig. Schließlich ging ein Ruck durch ihn.
»Okay! Ich werde es dir erzählen. Doris hat sehr jung
geheiratet, wurde aber bald darauf wieder geschieden. Keine Kinder. Danach hat
sie sich ein eigenes Leben aufgebaut. Aber glücklich war sie nicht. Die Liebe
fehlte. Auch ihre Familie konnte das nicht ersetzen, selbst wenn sie sich
nichts hat anmerken lassen. Natürlich gab’s auch manchmal Männer. Einzelheiten
kenne ich nicht«, bekundete der Däne, »aber da gab es wohl im Laufe der Jahre
zwei oder drei, die etwas mehr als ein harmloser Flirt waren. Mit einem hatte
sie auch zusammengewohnt, bis er aus beruflichen Gründen in den Süden zog und
die Beziehung dadurch zerbrach. Unter welchen Umständen sie schließlich einen
weiteren Mann kennen lernte, kann ich nicht sagen. Doris hatte sich ihn
verliebt und dabei viel von ihrer Zurückhaltung gegenüber Männern aufgegeben.
So war es für sie natürlich, ihrem Partner zu helfen, als dieser klamm war. Der
Mann hat Doris’ Vertrauen aber ausgenutzt, ihr einen Großteil der Ersparnisse
abgeluchst und sich dann aus dem Staub gemacht. Besonders schlimm war es, dass
er nachher schlecht von ihr geredet hat. Das war für die Doris zu viel. Sie
wirkt nur äußerlich robust, aber im tiefsten Grund ihrer Seele ist sie
sensibel. So kam es, dass sie Tabletten geschluckt hat. Gottlob wurde sie
rechtzeitig entdeckt. Allerdings war sie ein gutes halbes Jahr arbeitsunfähig,
da sie auch noch eine längerfristige Therapie absolvierte.«
»Du sprichst außerordentlich fürsorglich von Frau
Landwehr. Hast du ein Verhältnis mit ihr?«, fragte Große Jäger in der ihm
eigenen direkten Art.
Der Däne schüttelte den Kopf. »Die Antwort lautet Ja
und Nein. In sexueller Hinsicht hat sich nie etwas zwischen uns abgespielt.
Unsere Beziehung ist eine andere. Wir verstehen uns einfach gut. Ich glaube, es
ist ein tiefes Vertrauensverhältnis, was uns verbindet.« Er hielt kurz inne,
sah Große Jäger an. »Du musst nicht glauben, dass ich mir nichts aus Frauen
mache. Bei Doris ist es anders. Ich glaube nicht, dass du mich verstehst.«
»Doch!« Große Jäger sah ihn versonnen an. »Ich
verstehe dich. Gibt es eine neue Beziehung im Leben von Doris Landwehr?«
Ein spöttischer Blick traf ihn als Antwort. »Soll das
ein Scherz sein? Die Frau hat erst einmal die Nase voll von Männern. Es hat sie
auch mitgenommen, dass sowohl Roth wie auch Banzer sich an sie herangemacht
hatten. Der Chef hat es auf diskrete und charmante Weise getan und ihr die
Zurückweisung auch nicht übel genommen. Unter anderen Vorzeichen und wenn sie
nicht so schlimme Erfahrungen gesammelt hätte, wer weiß … Vielleicht wäre sie
schwach geworden. Man muss Herrn Roth zugute halten, dass er nicht wusste, wie
es um Doris stand. Tiefer verletzt war sie aber durch die Annäherungsversuche
Harald Banzers. Der hat, wann immer sich Gelegenheit dazu bot, ihr direkte
Anträge unterhalb der Gürtellinie gemacht. Du hast in der Zwischenzeit ja
einiges über ihn gehört und kannst dir bestimmt vorstellen, dass der Typ sich
nicht durch mehr oder minder deutliche Absagen abschrecken ließ. Der hat alles
versucht: Charme, Versprechungen, Drohungen. Doris’ hartnäckige Weigerung hat
ihn womöglich noch zusätzlich angestachelt. Ich habe jedenfalls befürchtet,
dass bei Doris durch dieses Verhalten Banzers wieder die alte Wunden aufbrechen
könnten.«
»Das waren wichtige Informationen für uns. Damit hast
du uns sehr geholfen«, bedankte sich Große Jäger bei Sørensen.
*
Mittlerweile war es Mittag geworden. Am seit Tagen
tiefblauen Himmel waren weiße Schäfchenwolken aufgezogen, die in Verbindung mit
den sattgrünen Weiden und den schwarz-weißen Kühen und den vereinzelten roten
Häusern einem Bilderbuch entlehnt schienen.
Mommsen schwamm im Verkehr auf der Bundesstraße
Richtung Norden mit. Um diese Tageszeit hatten sich unter die einheimischen
Fahrzeuge auch solche mit auswärtigen
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