schön. Aber habt ihr euch wenigstens schon Fotos geschickt? Weißt du ungefähr, wie er aussieht?«
»Wir haben uns beschrieben. Bernhard ist ungefähr einen Meter achtzig groß. Und mittelblond. Warum ist dir das Aussehen denn so wichtig? Gibt’s denn nicht Wichtigeres?«
In meinem Kopf hatte Bernhard längst Wolframs Gesicht. Aber das erzählte ich meinen Freundinnen nicht. Ob Margarite Meiner wohl etwas dagegen hätte, dass ich das Gesicht ihres Liebsten quasi mit einem Klick kopiert und in Bernhards Erscheinung eingefügt habe?
»Wann wollt ihr euch treffen?« Natürlich, Carla. Wieder dabei, Nägel mit Köpfen zu machen.
»Das weiß ich noch nicht. Noch hat Bernhard keine Anstalten gemacht, mich zu fragen.«
»Und das kommt dir nicht seltsam vor? Will er eine rein platonische E-Mail-Freundschaft? Vielleicht ist auch er verheiratet und hat nicht genug Mumm oder zu viel Anstand, seine Frau zu betrügen? Vielleicht schreibt er aus dem Gefängnis oder aus der geschlossenen Anstalt der Psychiatrie und kann dich deshalb nicht treffen.«
»Oder aus dem Kloster«, ergänzte Bea grinsend.
»Nein, es kommt mir nicht verdächtig vor«, setzte ich mich zur Wehr, »ich möchte erst jemanden durch das E-Mailen kennen lernen, bevor ich ihn treffe. Ein Abend mit einem unbekannten Mann hat mir gereicht.«
»Was macht denn dein Bernhard beruflich?«
Dein Bernhard. Mein Bernhard. Das klang gut. Da bekam ich ein warmes Gefühl im Herzen. Ähnlich wie es mir erging, wenn ich abends nach Hause kam und mein erster Weg mich zum Laptop führte, um zu sehen, ob er mir geschrieben hatte. Ich wurde nie enttäuscht. Jeden Abend befand sich eine lange E-Mail in meiner Mailbox.
»Er ist Computerspezialist. Ihm gehört eine Firma, die sich auf Virenschutzprogramme spezialisiert hat.«
»Da hat er ja allerhand zu tun.«
»Das hat er sicherlich. Und sein Laden läuft gut. Virenschutz ist etwas, das man in den nächsten Jahren noch verstärkt brauchen wird. Ein Beruf mit Zukunft, das steht fest.«
»Da spricht Rolis Sicherheitsdenken.« Beas Stimme klang spöttisch. Doch sie hatte Recht. Natürlich war es mir wichtig, dass mein Partner einen sicheren Job hatte. Ein fixes Einkommen auch in Krisenzeiten. Wir hatten zu Hause nur Geld für das Nötigste gehabt, und auch das war manchmal knapp gewesen. Ich wollte nie wieder überlegen müssen, ob genug Geld für Winterstiefel da war. Gut, ich verdiente mittlerweile selbst eigenes Geld. Genug, um meinen Söhnen und mir ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen. Von einem Mann erwartete ich allerdings auch, dass er für sich selbst sorgen konnte. Und im Ernstfall als Ernährer der Familie einsprang.
»Vielleicht könnt ihr ja mal telefonieren«, schlug Carla vor, während sie der Kellnerin ein Zeichen gab, dass wir bezahlen wollten. Ja, das könnten wir. Ich nahm mir vor, Bernhard zu fragen, ob er meine Telefonnummer haben wollte. Oder war es besser, wenn der Vorschlag vom Mann kam? Männer sind Jäger – ich hatte Tante Hildegard noch genau im Ohr. Aber galten Tante Hildegards Weisheiten auch für das Internet?
XIII
Von: bernhardb@…com
An:
[email protected]Betrifft: Eine lange Nacht mit Viren
Liebe Rosalind,
herzlichen Dank für das Schaf, das du mir gemailt hast. Es läuft, während ich dieses E-Mail schreibe, kreuz und quer über den Bildschirm und gibt seltsame Geräusche von sich. Es bringt mich zum Lachen, und ich stelle mir vor, wie wir uns einmal persönlich gegenübersitzen werden und gemeinsam lachen *träum*.
Ich finde es schön, wie viel ich jetzt schon von dir weiß. Und natürlich sind Äußerlichkeiten völlig nebensächlich. Und doch: Es würde mich brennend interessieren, wie du aussiehst. Hast du nicht doch ein Foto eingescannt, das du mir schicken könntest?
Heute war ein harter Tag in der Firma. Du hast sicher schon von der neusten Virenattacke gelesen, die aus den USA zu uns herübergeschwemmt wurde. Wir hatten alle Hände voll zu tun. Meine Mitarbeiter kamen mit den Kundenbesuchen nicht nach. So bin auch ich den ganzen Tag unterwegs gewesen und habe alle Kunden im Landkreis von Viren befreit. Wann fährst du nach Wien? Ich hoffe, du findest dort bald ein Internetcafé. Denn ich möchte keinen einzigen Tag mehr ohne deine E-Mails sein. Bernadette hat von einem Internetcafé im ersten Bezirk gesprochen, das sehr nett sein soll. Ich versuche, die Adresse herauszufinden, o.k.?
So, jetzt muss ich mich ans Programmieren machen. Bin ja heute den ganzen Tag nicht