Vom Internet ins Ehebett (German Edition)
furchtbar unangenehm, so unsensibel mit der Tür ins Haus gefallen zu sein. Andererseits: Ich war so sicher davon ausgegangen, Carla wüsste längst Bescheid.
»Woher hätte ich denn das wissen sollen?«, fuhr sie mich an. »Konrad hat kein Wort darüber verloren. Und Cordula, seine Frau, habe ich seit einer Ewigkeit nicht mehr zu Gesicht bekommen. Früher sind wir uns im Konzerthaus ab und zu über den Weg gelaufen. Wie du weißt, haben die beiden zur selben Zeit Abonnementkarten wie Bea und ich. Wie habe ich es gehasst, so zu tun, als kenne ich Konrad nicht. Er schaute stets durch mich hindurch, als wäre ich Luft. Dieser Trottel.« Carla musste schon sehr aufgebracht sein, wenn sie so ein Wort über ihre Lippen brachte. »In letzter Zeit war Konrad mit seiner Mutter in den Konzerten gewesen. Seine Frau war wohl währenddessen bei der Schwangerschaftsgymnastik oder beim Kotzen.«
Noch so ein undamenhaftes Wort aus Carlas Mund. Daher wunderte es mich nicht mehr, dass sie ihren Kräutertee beiseite schob und aufstand, um die Hausbar zu öffnen. »Hast du auch das Bedürfnis nach einem Grappa?«
Pfui Teufel. Grappa mochte ich nicht. Und auch sonst stand mir nicht der Sinn nach Alkohol. »Hast du auch einen Williams?«
Hatte ich das gesagt? Na, vielleicht würde es mir ja helfen, meinen Kummer mit Bernhard zu vergessen.
»So ein Mistkerl!«, Carla fluchte und goss den Schnaps in ein passendes Kristallglas. »Seine Frau bekommt ein Baby. Und was macht er? Er kommt heimlich zu mir und erzählt mir was weiß ich für Lügengeschichten. Gestern, gestern erst wieder, ist er um etwa neun Uhr abends aufgetaucht. Er war müde, abgespannt. Und es stand ihm der Sinn nach Entspannung.«
»Du meinst, ihr habt miteinander geschlafen? Ich dachte, es sei ohnehin aus mit euch beiden.«
»Ist es auch. Ich dachte allerdings, unsere Trennung sei vorübergehend. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich ihm den Stuhl vor die Tür gestellt habe. Aber in der Vergangenheit war es ihm immer wieder gelungen, mich umzustimmen. Er kann so charmant sein, dieser Mistkerl. Wenn er will, findet er exakt das richtige Wort zur richtigen Zeit. Und im Bett ist er ein Könner, das muss man ihm lassen.«
»Und gestern?«, fragte ich schnell, um den verklärten Blick aus ihrem Gesicht zu vertreiben.
»Gestern habe ich ihm den Nacken massiert und ein schönes Glas Wein serviert. Das war alles, Roli, ungelogen. Er wolle, dass wir Freunde bleiben, hatte er erklärt. Und dabei seinen treuherzigsten Blick aufgesetzt. Und dann gleich einen lüsternen nachgeschickt. Seine Hand, die meinen Oberarm gestreichelt hatte, war dabei scheinbar beiläufig auf meinen Busen gerutscht.«
Sie machte eine Handbewegung, als wollte sie jetzt diese Hand verscheuchen: »Ha, Freunde bleiben! Ich denke ja nicht daran. Diesem feinen Herrn habe ich nichts mehr zu sagen. Oder, besser: Ich sag ihm einmal noch die Meinung. Laut und deutlich, und dann habe ich ihm nichts mehr zu sagen.«
Auch wenn mein Kummer nichts gegen den Kummer war, den Carla soeben verspüren musste, so tat es doch weh, mich in meinem E-Mail-Partner getäuscht zu haben. Und dann saßen wir also bald beide auf dem breiten Sofa und schimpften auf Konrad. Und auf Bernhard. Und auf Rotter. Und auf Bubi. Und auf die Welt im Allgemeinen und die Männer im Besonderen.
XV
Der Zug nach Wien fuhr in den Bahnhof ein. Mein Platz war in einem Großraumwagen reserviert worden. Es war einer dieser modernen Wagen, in dem alle Leute so sitzen, als wären sie in einem Flugzeug. Und kaum Platz haben für ihre Beine. Ich mochte die alten Abteile lieber. Wo man sich gegenüber saß. Und die Beine hochlegen konnte, wenn niemand sonst anwesend war. An Beinehochlegen war aber ohnehin nicht zu denken, denn der Zug war brechend voll. Anscheinend zog es viele Leute an diesem Junimorgen nach Österreich. Der Platz neben mir war noch frei. Doch das gelbe Reservierungsschild zeigte, dass eine weitere Person vorhatte, nach Wien zu reisen. Ich hatte sicherheitshalber meinen Diskman mitgebracht, um vor unliebsamen Gesprächen geschützt zu sein. Er lag vor mir auf dem kleinen Klapptischchen. Im Notfall konnte ich mir die Ohren zustöpseln und R.E.M. hören. Obwohl ich eigentlich vorhatte, meine Unterlagen noch einmal durchzugehen. Am Dienstag, also bereits in drei Tagen, würde ich meinen Vortrag halten. Langsam bekam ich ein seltsam aufgeregtes Gefühl in der Magengegend.
Der Zug fuhr an. Mein Nachbar war noch nicht erschienen. Und
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