wollte. Und erinnerte mich damit ein wenig an Peter. Natürlich war Stefan anders, als Peter gewesen war. Älter, erfahrener und reifer. Doch auch er zeigte den Lebensstil, der mir bei Peter so imponiert hatte. Mein Mann hatte auch eben angefangen Golf zu spielen, als dieser Autounfall ihn jäh aus dem Leben gerissen hatte. Sicher hätte er in der Zwischenzeit ein ähnliches Handicap wie Stefan.
Obwohl Stefan einiges getrunken hatte, schien er weit davon entfernt zu sein, den Alkohol zu spüren. Ohne zu zögern, setzte er sich hinter das Lenkrad, und der Wagen schnurrte meinem Zuhause zu. Ein bisschen mulmig war mir schon dabei. Doch er lenkte zügig und sicher.
Als vollendeter Gentleman half er mir aus dem Wagen. Gleich würde er mich küssen. Erwartungsvoll blickte ich zu ihm auf. Den ganzen Abend schon hatte eine prickelndeSpannung in der Luft gelegen. Ich sehnte mich so sehr danach, dass er mich in seine Arme nahm. Ich war äußerst liebesbedürftig. Ob ich ihn anschließend bitten sollte, noch »auf einen Kaffee« mit hineinzukommen?
Es stellte sich schnell heraus, dass Stefan ganz andere Pläne hatte. Mit ernstem Gesicht ergriff er meine Hand: »Ich danke dir für diesen schönen Abend, Rosalind«, er küsste mich leicht auf die Stirn, »ich wünsche mir, dass noch viele solche Abende folgen werden. Lass es uns langsam angehen, mein Lieb. Nichts überstürzen. Warten wir ab, was das Schicksal mit uns beiden Hübschen vorhat.«
Da stand ich also. Noch ergriffen von seinen Worten, während er schon zu seinem Auto zurückkehrte und mit einem kurzen Winken im Inneren verschwand.
Ja, lass es uns langsam angehen. Wirkliche Beziehungen müssen langsam wachsen. Übereilte Handlungen würden nur stören. Und obwohl mein Verstand das ganz genau wusste: Wie sehr hätte ich jetzt einen völlig übereilten Kuss genossen.
Was sollte ich anfangen mit diesem angebrochenen Abend? Ich war viel zu aufgewühlt, um ins Bett zu gehen. Ich hätte zappeln können vor Ungeduld und ungestilltem Verlangen. Wie automatisch begab ich mich zu meinem Schreibtisch.
Ich wartete, bis sich meine Mailbox öffnete.
Greg versuchte nicht mehr, mich zu erreichen. Seit Tagen schwieg mein Handy. Auch er hatte aufgegeben. Wir waren beide füreinander ein Intermezzo gewesen. Nichts, worüber es noch nachzudenken galt.
Stefan. Wie lange hatte ich gedacht, er sei in Margarites festen Händen. Doch heute waren wir zusammen essen gewesen. Er hatte keine Kosten und Mühen gescheut, mich zu verwöhnen. Ein wunderschöner Abend, ein toller Mann. Er hatte alles, was ich von einem Mann erträumte. Und doch war dieser Abend äußerst unbefriedigend verlaufen. Geduld war noch nie meine große Stärke gewesen.
Und dann gab es da noch Bernhard. Bernhard? Hilfe, ich hatte mich bei ihm immer noch nicht gemeldet! Was, wenn er langsam die Geduld verlor? Wenn er im Internet nach anderen Frauen Ausschau hielt? Ich wusste doch gar nicht, wie sich das mit Stefan entwickeln würde. Vielleicht war ich auch für Stefan nur eine vorübergehende Affäre, so wie ich das für Greg gewesen war? Und dann hätte ich auch Bernhard verloren. Das musste ich verhindern. War es fair, ihn hinzuhalten und quasi auf Sparflamme kochen zu lassen? Nein, es war nicht fair. Doch vernünftig. Und wann war das Leben schon fair? Vor allem, wenn es die Liebe betraf?
Meine Mailbox zeigte eine neue Nachricht an. Tatsächlich, Bernhard hatte sich wieder gemeldet. Er schrieb mir täglich. Seine Berichte waren fast wie ein Tagebuch. Er hielt mich auf dem Laufenden über sein Leben, über seine Gedanken. Er drängte mich nicht. Auch wenn ich mich tagelang nicht meldete – von ihm kam nie ein Vorwurf.
Von: bernhardb@…com
An:
[email protected]Betrifft: Ein Gruß zur guten Nacht
Meine liebe Rosalind,
na, was treibst du denn so an diesem verregneten Wochenende? Damit mir nicht die Decke auf den Kopf fällt, bin ich mit einer Nachbarin ins Kino gegangen. Der Film war langweilig, die Nachbarin ist es auch. Es macht wenig Spaß, mit einer Frau zusammen zu sein, die die wenigen witzigen Stellen im Film offensichtlich nicht versteht und an völlig unpassenden Stellen lacht. Ich habe mir die ganze Zeit gewünscht, mit dir dort zu sein. Ich bin sicher, mit dir würde mir auch der langweiligste Film Spaß machen. Wie schaut es denn nächstes Wochenende in deinem Terminkalender aus?
Ich wünsche dir eine gute Nacht. Träum etwas Schönes!
Alles Liebe
dein Bernhard
Von:
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