Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)
Eroberung der Burg
Chojnik durch französische Liebhaber‹?«
Er schwieg
und atmete pfeifend. Er tat mir aufrichtig leid, ich befürchtete das Schlimmste.
Der Mann verdiente ein wenig Trost und Fürsorge. Sehr behutsam, selbstverständlich.
»Mit einer Sommergrippe ist nicht zu spaßen, Herr Pech. Lassen Sie sich lieber untersuchen.
Eine Lungenentzündung dazu und Sie sind schneller tot, als es Ihnen lieb wäre.«
Entweder
war die Telefonverbindung schlecht oder er röchelte so laut. »Frau Lem, zum letzten
Mal, ich brauche keinen Fortsetzungsroman aus Ihrer Feder. Und diesmal auch kein
Ausfallhonorar.«
»Aber wieso?
Ich brauche das Geld!«
»Nein, nein!
Was ist mit der versprochenen Hochzeitsgeschichte?«
Jetzt war
ich beleidigt, Herr Pech schätzte meine kreative Ader gar nicht.
»Was ist
mit der Hochzeit, Frau Lem?«
»Die Sache
mit der Hochzeit der adeligen Familie Robotka hat sich erledigt.«
»Und warum?«
»Keine Ahnung.«
Herr Pech
spielte überzeugend den zur Weißglut gebrachten Verleger. »Sie wissen es nicht?
Dann finden Sie es heraus! Außerdem glaube ich Ihnen gar nichts mehr! Sie werden
mir diese Adelsgeschichte liefern oder eine andere vergleichbare, ob Sie wollen
oder nicht. Die Story aus dem polnischen Adel habe ich für die nächste Ausgabe groß
angekündigt. An die Arbeit, Frau Lem!« Er legte auf.
Nach diesem erbaulichen Gespräch
nahm ich mein Notizbuch und ging spazieren. Ich schlenderte die Dorfstraße hinauf,
die Sonne schien angenehm sparsam, es roch nach Gras und Kühen. Eine entspannte
Ferienstimmung, wären da nicht die idiotischen Erwartungen meines Verlegers. Wie
sollte ich plötzlich eine Ersatzhochzeit herzaubern? Wen sollte ich mit wem verheiraten?
Von der Straße bog ich ab und fand mich nach ein paar Metern im Wald wieder. Auf
einem schmalen Pfad wanderte ich weiter, bis ich eine Holzhütte sah. Neugierig spähte
ich durch ein Fenster. Der Raum war so düster, dass der Mann, der am Tisch saß,
mit der Nase die Zeitung las, die vor ihm ausgebreitet lag. Es war der Exmann unserer
Pensionswirtin, der den unrühmlichen Spitznamen ›Versager‹ trug. Ohne lange zu überlegen,
klopfte ich und trat ein. Die Einrichtung war schlicht. In einer Ecke lagen eine
Matratze und eine zerwühlte Bettdecke, daneben stapelten sich Zeitungen und Manuskripte.
»Beim Essen
möchte ich meine Ruhe haben, sonst bekomme ich noch Magengeschwüre«, warnte der
Mann mit vollem Mund. Dann beugte er sich noch tiefer über eine Konservendose, holte
mit den Fingern etwas heraus und verschlang es schmatzend. Dem Geruch nach war es
eine Fischmahlzeit. Den Flecken auf der Zeitung nach zu urteilen, in öliger Tomatensoße
gebadet. Zwischen zwei Happen fragte er: »Wer sind Sie?«
»Wir kennen
uns bereits. Sie wollten mein Auto nicht klauen.«
»Hmmm«,
murmelte er gleichgültig und riss eine neue Konserve auf. Noch mal Fisch. Diesmal
mit Gemüse, was ihm weniger zu schmecken schien. Bald türmten sich öltriefende Zwiebelringe
um die Blechdose. Als die Mahlzeit beendet war, tupfte sich der Mann die Lippen
mit dem Zeitungsrand ab und sah mich genauer an. »Ach, Sie sind das. Suchen Sie
etwas?«
»Ideen für
eine Geschichte mit Happy End.«
»Bei mir
finden Sie garantiert keine.«
»Ich weiß,
die Bauaffäre vor zwei Jahren.«
»Ich war
unschuldig«, sagte er matt.
»Selbstverständlich.«
»Sie glauben
mir nicht.« Er senkte den Kopf. »Ich war wochenlang auf der Titelseite dieser Zeitung.
Jetzt bin ich erledigt, ich bekomme keinen Bauauftrag mehr. Meine Frau hat mich
verlassen.« Der Mann blickte düster drein. »Czarnecki hat sich aus der Sache geschickt
herausgewunden, ich nicht. Ich bin ein Versager.«
»Worum ging’s
dabei?«
Die Frage
belebte ihn, er räumte die leeren Dosen weg, holte eine weitere Zeitung aus der
Ecke und knallte sie vor mich hin. Auf der Titelseite erkannte ich sein Gesicht,
lachend, zufrieden. Dann erzählte er, wie alles angefangen hatte. Ein dummer Zufall,
die Bauaffäre war beiläufig ans Licht gekommen. Ein neuer Sachbearbeiter des Bauamtes
hatte einige Akten genauer gelesen. Dabei fand er eine Millionenrechnung für einen
Brückenbau, wo in Wahrheit ein alter, wackliger Holzsteg den Fluss überspannte,
der keinen müden Złoty wert war. Der Sacharbeiter suchte nach der beauftragten Firma
und stieß auf Ronald Czarnecki, der die öffentliche Ausschreibung für den Brückenbau
gewonnen hatte. Der pflichtbewusste Neuling legte seinem Chef einen
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