Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)
ganze Gelände mit Lagerhallen. Und das auch noch um die Hälfte billiger.
Ein Glücksfall, findest du nicht?«
»Das ist
fantastisch, wie hast du das bloß geschafft?«
»Ich habe
ja das beste Angebot vorgelegt.« Jan zog eine Zigarre aus der Brusttasche seines
Jacketts. »Und das einzige, selbstverständlich.«
Eine Kellnerin
mit bunten Strähnchen im Haar kam mit zackigen Schritten wie ein Model auf dem Laufsteg
angelaufen und wir bestellten Bier. Jan rauchte und schwieg. Nach einer Weile fragte
ich, wie es ihm gehe. Ganz gut, sagte er und vermied meinen Blick. Sein Anwalt würde
das Missverständnis bald aufklären, er selbst wolle augenblicklich nicht darüber
reden.
»Wenn man
bloß den Dieb deiner Papstskulptur finden würde, dann würde dich Kowalski endlich
in Ruhe lassen, habe ich recht?«
Er schnippte
die Asche weg und antwortete resigniert: »Vergiss es, Valeska.«
Die Kellnerin
brachte uns die Getränke. Aber sogar das beste Bier hatte jetzt keine Chance, die
traurige Stimmung aufzulockern. Überraschend rief der Anwalt an, er hatte keine
guten Neuigkeiten. Im Gegenteil, es hatten sich unerwartete Schwierigkeiten ergeben.
Darüber wollte er mit Jan persönlich beraten, er würde gleich im Café vorbeikommen.
Jan war niedergeschlagen und bat mich, ihn mit dem Anwalt allein zu lassen. Es war
verständlich, aber traurig. Ich erhob mich und ging.
In den nächsten Stunden fuhr ich
ziellos durch die Gegend. Hin und wieder starrte ich das Foto an. Edy grinste mich
an. Der Schurke; er hatte mir für den wertlosen Schuhkarton viel Geld abknöpfen
wollen. Ich war nahe dran gewesen, mich wie eine blöde Gans ausnehmen zu lassen.
Es war trotzdem jammerschade, dass ihn eine gepanschte Wodkaflasche zu Fall gebracht
hatte. Osteuropäer hatten schon immer viel Pech mit flüssigen Lebensmitteln.
Auch die
russischen Soldaten, die zum Ende des Krieges als Befreier in eine Parfümeriefabrik
in Wrocław einmarschiert waren. Nachdem sie die großen, bauchigen Flaschen mit duftender,
hochprozentiger Flüssigkeit bis auf den letzten Tropfen leer getrunken hatten, starben
sie alle.
Wehmütig
dachte ich über diese und andere Fehleinschätzungen nach, die das Leben verkürzten,
und merkte erst in letzter Sekunde, dass ich gerade am Haus mit dem Rosenbusch vorbeifuhr.
Eilig hatte ich es ja nicht, ich hielt an, stieg aus, pfiff leise durch die Zähne
und wartete auf den Auftritt der schwarzen Bulldogge hinterm Zaun. Als nach einer
Weile nichts passierte, lugte ich in den Garten und konnte keine Hundehütte mehr
entdecken. Josephine Baker schien mit Sack und Pack auf Tournee gegangen zu sein.
Nichts bewegte sich in der heißen Luft, außer einigen Rosenblättern, die auf den
Rasen hinabschwebten.
In diesem
Moment fuhr ein Wagen vor. Wanda stieg aus, ging zum Kofferraum und packte ein paar
Taschen aus. Sie trug ein schwarzes Kleid, das wie eine viel zu knappe Schuluniform
aussah, und an ihrem Hinterkopf wippte eine Haarschleife wie ein riesiger Nachtfalter.
Eine große Frau in einem weiten grauen Kleid mit weißem Kragen stieg auf der Beifahrerseite
aus und kam ihr zu Hilfe. Wanda drückte eine glänzende Papiertasche an sich und
ging zum Haus hinauf. Die Frau sah ihr wie eine besorgte Gouvernante nach, die ihren
Schützling auf Schritt und Tritt überwacht. Langsam schlenderte ich zu ihr und sagte:
»Wie traurig. So jung und schon Witwe.«
»Darüber
bin ich gar nicht traurig. Als mein Mann im Sumpf ertrank, da habe ich eine ganze
Woche lang nur gelacht. Ein Säufer vor dem Herrn«, sie sprach mit weichem russischen
Akzent. »Ich kenne Sie doch. Sie waren Gast beim Bürgermeister.«
»Und Sie
…« Ich kramte in meinem Gedächtnis nach Erinnerungen. Ich fand nichts, also lächelte
ich zurück und sagte: »Sie waren auch da.«
»Ja. Große
Party, viel Arbeit.«
»Ah ja.
Sie sind doch …«
»Nadja Iwanowna
Petraschenko.«
»Natürlich
Nadja! Ich bin Valeska. Schöner Tag heute, Nadja. Die Sonne scheint.«
Wanda kam
zurück und schob sich zwischen mich und die Frau. »Sie schon wieder!« Sie funkelte
wütend mit ihren Knopfaugen. »Sie … Sie maliziöses Monster.«
»Was höre
ich da?«, fragte ich tadelnd. »Sie sind wohl immer noch nicht über den Buchstaben
M hinausgekommen.«
Sie errötete.
Ihre Hände zappelten in der Luft, als wollte sie mir alle Ringe zeigen, die sie
heute an ihren Fingern trug. »Sie haben mir nichts zu sagen. Ich kann machen, was
ich will. Habe ich recht, Nadja?«
»Aber
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