Vom Mensch zum Vampir
seinen Gedanken auf. Mal lachend, mal weinend. Schlammfarbene Augen, die ihn liebevoll anblickten und plötzlich wusste er, zu wem dieses Gesicht gehörte.
Die Frau war seine Mutter!
Mit einem Mal kamen immer mehr Erinnerungen in ihm hoch. Jene, wie er mit ihr von Stadt zu Stadt gezogen und wie er immer auf sie warten musste, bis sie von ihrer Arbeit zurückgekommen war.
Und dann erinnerte er sich an diese eine Nacht, in der seine Mutter nicht mehr gekommen und er auf Adam van Argyll getroffen war. Und wie dieser ihm erzählt hatte, dass er ein Waisenkind sei und keine Mutter habe.
Ardric wurde plötzlich wütend, denn er wusste, dass Adam ihn damals angelogen und manipuliert hatte. Die Wut verwandelte sich regelrecht in Raserei, bis er es nicht mehr aushielt und zu schreien begann. Erst war es nur ein Knurren in der Kehle, doch es schwellte mehr und mehr an, bis es den Weg vorbei an seinen gereizten Stimmbändern und aus seinem Mund hinaus fand. Er schrie so laut, dass es in seinen Ohren dröhnte und in jeder Faser seines Ichs zu vibrieren schien. Und endlich konnte er sich selbst spüren, seinen Körper, seine Existenz.
„Mach deine Augen auf!“, flüsterte ihm eine Stimme zu, die ihm vertraut war. Zuerst erschrak er, denn die Stimme schien so nah. Er folgte der Anweisung und öffnete sie, doch sogleich schlug er eine Hand vor seine Augen, denn das grelle Licht blendete ihn.
„Langsam! Dein Geist braucht Zeit, um sich an seinen neuen Körper und seine verschärften Sinn zu gewöhnen“, ermahnte ihn die Stimme. Ardric blinzelte und sah neben der grellen Lichtquelle einen verschwommenen Umriss. Es dauerte eine Weile, doch dann gewöhnten sich seine empfindlichen Augen an das Licht, bis er erkennen konnte, dass es der schwache Schein einer einzigen Kerze war, die ihn geblendet hatte.
„Was hast du aus mir gemacht!“, schrie Ardric außer sich.
„Keine Sorge, mein Engel, du wirst dich daran gewöhnen“, meinte die Stimme. Wie benommen taumelte Ardric auf den verschwommenen Umriss zu, bis er nah genug war, um Adam van Argyll zu erkennen.
„Warum, Adam? Warum hast du mir das angetan?“, schrie Ardric verzweifelt. Er war den Tränen nahe, doch die salzig warme Flüssigkeit blieb aus.
„Weil ich dich liebe“, erwiderte er knapp.
„Es gibt so vieles, was du noch zu lernen hast, mein goldener Prinz. Doch jetzt musst du dich stärken, dann geht es dir gleich besser“, meinte Adam und hielt ihm etwas hin. Ardric musste sich anstrengen, um zu erkennen, dass er einen reglosen Körper in seinen Armen hielt. Angewidert wich Ardric zurück.
„Das kannst du nicht von mir verlangen!“, grollte Ardric aufgebracht.
„Du wirst sehen, dass ich als dein Macher so einiges von dir verlangen kann. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz unter Vampiren, dass du dich durch die Schöpferbindung, die uns ewig aneinander kettet, dem beugen musst, was ich dir sage. Und nun befehle ich dir, mein Geschenk anzunehmen und zu trinken, bis das Herz aufhört zu schlagen!“, forderte Adam mit herrischer Stimme. Noch bevor Ardric etwas hätte dagegen sagen können, fühlte er eine unsichtbare Macht, die ihn zu seinem Macher zog. Adam übergab ihm den Knaben und sah, wie Ardric mit sich kämpfte.
„Er ist doch fast noch ein Kind!“, wandte er empört ein.
„Es war die Fügung des Schicksaals, denn er war der Erste, der mir über den Weg gelaufen ist. Und jetzt trinke!“, keifte Adam ungeduldig. Augenblicklich fuhren Ardrics Fangzähne zum ersten Mal aus, was ein juckendes und unangenehmes Gefühl in seinem Mund auslöste. Immer wieder fuhr er mit seiner Zunge über sein Zahnfleisch, doch es verschaffte ihm keine Abhilfe.
„Ich befehle dir zu trinken!“, rief Adam erneut. Man konnte seiner bebenden Stimme anhören, wie sehr es ihn erzürnte, dass Ardric versuchte sich seinen Befehlen zu widersetzen. So heftig er sich auch dagegen zu sträuben versuchte, konnte er dennoch den Teil seines Körpers, dem es nach dem Blut des Jünglings lechzte, nicht mehr länger Gegenwehr leisten. Sämtliche Sinne waren geschärft.
Er spürte die Lebensenergie, die den Jungen umgab und bei jedem Herzschlag in kleinen vibrationsartigen Wellen von seinem Körper abgegeben wurde. Er sah die Adern unter seiner blassen Haut, die sich verlockend wölbten und kaum merklich zuckten, um ständig das Blut im Körper zu transportieren. Für das menschliche Auge war diese Bewegung kaum sichtbar.
Und er konnte ihn riechen. So viele Gerüche, die sich zu
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