Vom Regen in die Traufe
hunderttausend Finnen in Konzentrationslager zu sperren, sch ä tzte Hermanni. Man w ü rde sie mit starker chauvinist i scher Propaganda vollpumpen, um so wenigstens einen Teil der internierten B ü rger dazu zu bewegen, ihre Auffassung von der Gesellschaft zu ä ndern und auf die Teilnahme am Au f stand zu verzichten. Die Ü brigen w ü rden vom Kriegsgericht wegen Landesverrats zu Zuchthausstrafen verurteilt. Die R ä delsf ü hrer des Aufstandes w ü rden nach eigens geschaffenen Kriegsgese t zen hingerichtet, die untere F ü hrung ausgewiesen.
Hermanni hielt es allerdings nicht f ü r wahrscheinlich, dass der gut vorbereitete Volksaufstand so leicht scheiterte. Im Gegenteil, bei sorgf ä ltiger Planung und geschickter Ausnu t zung der Umst ä nde h ä tte der Aufstand hervorragende Cha n cen auf Erfolg. Hermanni verwies auf einige aus der Milit ä rg e schichte bekannte Theoretiker wie Moltke, Clausewitz und den vietn a mesischen Partisanenf ü hrer Vo Nguyen Giap aus dem Indoch i nakrieg, ferner auf die Finnen Nenonen, Siilasvuo und Raapp a na, ni cht zu vergessen den Schmucken J ussi, der nicht nur ein weithin bekannter Holzf ä ller, sondern auch ein ausg e wiesener Experte in der Wald- und Ö dmarkskriegsf ü hrung gewesen war. F ü r den besten Kriegstheoretiker hielt Hermanni jedoch den chinesischen General Sun Tzu, der vor langer Zeit gelebt hatte und dessen Gedanken Hermanni jetzt f ü r Lena und Ragnar zitierte: » Wie das Wasser keine best ä ndige Form hat, so gibt es auch im Krieg keine Best ä ndigkeit. Also kann man denjenigen g ö ttlich nennen, der den Sieg erringt, indem er seine Taktik ä ndert, wenn sich die Situation des Feindes ä ndert. «
Hermanni betonte, dass es keinesfalls seine Absicht war, ein furchtbares Blutbad anzurichten, sondern er wollte lediglich die grenzenlose Ungerechtigkeit beseitigen, die in Form der Ma s senarbeitslosigkeit das Leben und die Zukunft der ganzen Nation bedrohte. Er verlangte von s ä mtlichen Entscheidung s tr ä gern – der Industrief ü hrung, den Arbeitgebern, den Polit i kern, der Intelligenz –, von allen, die eine M ö glichkeit hatten, in den Verlauf der Dinge einzugreifen, dass sie sich endlich ihrer Verantwortung stellten. Weil sie dazu freiwillig ansche i nend nicht bereit waren, mussten sie unter Androhung eines Krieges und in letzter Konsequenz durch einen B ü rgerkrieg zum Begle i chen der Rechnung gezwungen werden.
» Genau wie ein durch Schl ä ge irregemachter Hund, der in seiner Not seinem Herrn in die Hand bei ß t, so werden auch die ins Elend der Arbeitslosigkeit gest ü rzten armen Leute ihre Menschenrechte einfordern « , verk ü ndete Hermanni Heiskari mit geh ö rigem Pathos in der Stimme, ganz wie es sich f ü r den Wegbereiter eines Aufstands geh ö rte. Er warf einen gro ß en Holzkloben ins Feuer, dass die Funken nach allen Seiten spr ü h ten.
Der Vortrag war eindrucksvoll, und Lena Lundmark g e wann die Ü berzeugung, dass sie sich unbedingt mit einklinken sollte, um sich ihren Teil der k ü nftigen Optionen zu sichern. Sie erkannte, dass sich ihr im Leben keine zweite so au ß erordentl i che Chance bieten w ü rde, gigantische Gesch ä fte zu machen. Im Hinblick auf den ungeheuren Bedarf einer Kriegswirtschaft geisterte ihr bereits die Erweiterung der Speditionsfirma durch den Kopf. Auch die Kapazit ä t der Schiffe m ü sste gro ß z ü gig erh ö ht werden, damit sie den B e d ü rfnissen des Seetransports zu Kriegszeiten entsprach. Lena beschloss, diese Ü berlegungen mit keinem Wort anzudeuten, jedenfalls vorl ä ufig nicht. Sie wollte nicht, dass die M ä nner Bescheid wussten, zumal keiner der beiden etwas von Gesch ä f ten verstand. Wichtig war, dass ihre Begeisterung anhielt und dass ihr, Lena, die m ä rchenhafte Gelegenheit, Geld zu machen, nicht entging.
Hermanni Heiskari betonte, dass er nicht sicher war, ob sein Kriegsprojekt je in die Tat umgesetzt w ü rde – er war kein Revolutionsromantiker. Aber der vorl ä ufige Plan war erstellt, und das hatte zwei Jahre gedauert. Nun musste noch der Fei n schliff vorgenommen werden, und falls auf Lenas Versprechu n gen von einem bezahlten Lebensrettungsurlaub Verlass war, hatten er und Ragnar jetzt Zeit, sich dieser Aufg a be zu widmen. Wenn der endg ü ltige Aufstandsplan bis ins letzte Detail fertig w ä re, k ö nnte man die Information ü ber seine Existenz gezielt in der Ö ffentlichkeit lancieren, sodass das ganze Volk ü ber das Vorhaben Bescheid w ü
Weitere Kostenlose Bücher