Vom Regen in die Traufe
begriff nicht, was vor sich ging. Auf seinem Gesicht lag ein gl ü ckliches, idiotisches L ä cheln.
Neben Ragnars Trage stand ein Tisch mit mehreren gro ß en Messern und zwei stabilen Fleischklopfern sowie mit Kesseln und T ö pfen. Auch Haushaltskrepp und viele Dosen mit ve r schiedenen Gew ü rzen waren da. Hermannis Blick fiel auf Grillmarinade und Heinz-Ketchup, auf Soja- und Chiliso ß e. Ihm schoss durch den Kopf, dass Senf fehlte, aber es war keine Zeit, diesen Gedanken weiterzuverfolgen. Hermanni sauste mit seiner Vespa an die Trage heran, packte Ragnar am Haar und an einem Arm und schwang ihn sich auf den R ü cken, dass der Hintern des Nackten auf den Gep ä cktr ä ger des Mopeds klatsc h te, und dann steuerte er auf direktem Wege den Pfad an, der zum Hotel f ü hrte. Es ging so steil bergab, dass Hermanni st ä n dig bremsen musste. Er sagte sich, dass wom ö glich die Brem s trommeln verbrannten, aber inzwischen hatte er auch schon fast die Ebene erreicht.
Als die Dorfbewohner begriffen, dass ihre Delikatesse frech geraubt und fortgeschleppt worden war, wurden sie schrec k lich w ü tend und schlugen auf ihre Trommeln ein, dass an den d ü nnsten Stellen die H ä ute rissen. Die hitzigsten unter den jungen Burschen wollten die Verfolgung aufnehmen und den Braten zur ü ckholen, aber schlie ß lich wagten sie es dann doch nicht und demonstrierten nur ihre Wut durch bedrohlichen L ä rm. Unten am Strand h ö rte sich das Gedr ö hn ganz schrec k lich an.
Am Morgen war Ragnar immer noch so berauscht, dass er sich das Hemd verkehrt herum anzog, anschlie ß end schleppte er sich mit h ä mmernden Schl ä fen zum Fr ü hst ü ck. Hermanni gesellte sich zu ihm. Lustlos bestrich sich Ragnar seine Toas t scheibe mit Butter und K ä se und versuchte Tee zu schl ü rfen. Es wollte ihm nicht recht schmecken. Vorsichtig erz ä hlte He r manni von den n ä chtlichen Ereignissen, an die Ragnar keinerlei Erinnerung hatte. Er wunderte sich allerdings, dass er sich so elend f ü hlte, und nahm an, er h ä tte mit der reizenden einheim i schen Bev ö lkerung ein bisschen zu eifrig gefeiert. Hermanni erkannte, dass sein Kumpan rein gar nichts von seinem Mart y rium wusste. Auf dieser Insel schien es Kr ä uter zu geben, die dem Menschen Verstand und Erinnerung gleic h zeitig raubten.
Hermanni schnitt sich ein t ü chtiges St ü ck von einer Scheibe Schinken ab und sagte zu Ragnar:
» Man wollte dich letzte Nacht in den Kochtopf stecken. « E i nen so grotesken Gedanken mochte Ragnar einfach nicht glauben, auch nicht, als Hermanni die Einzelheiten dessen erz ä hlte, was sich oben auf dem Berg abgespielt hatte. Unvo r stellbar, dass so etwas an der Schwelle zum einundzwanzigsten Jahrhundert passierte, war Hermanni verr ü ckt geworden? Erst als sie in sein Zimmer gegangen waren, d ä mmerte Ragnar die schreckliche Wahrheit. Auf seinem K ö rper waren mit kr ä ft i gem Filzstift ü berall Schnittstellen eingezeichnet, ä hnlich wie in Lehrb ü chern, in denen die Zerlegung eines Tierk ö rpers b e schrieben wird. Die Schulter war fachkundig markiert, ebenso auch die anderen schmackhaften Teile: Haxen, Koteletts, Kas s ler, Filet, sogar das Halsfleisch.
Hermanni geleitete seinen Butler in die Dusche und schrubbte hilfsbereit die Markierungen ab. Die Striche hafteten bemerkenswert hartn ä ckig auf der Haut, vielleicht war ein wasserfester Filzstift benutzt worden. Auch konnte Hermanni nicht umhin, sich bei der Gelegenheit zu informieren, wie der finnland-schwedische Homo-Onkel nackt aussah. Ragnar Lundmarks K ö rper war erstaunlich gut proportioniert. O b wohl er bereits ein alter Mann war, war sein Bauch ü berhaupt nicht schlaff, er hatte keine Krampfadern, und die Muskeln waren fest.
Als Ragnars K ö rper von den Todesstrichen reingewaschen war, packten die beiden M ä nner rasch ihre Koffer und bestel l ten sich Tickets f ü r die n ä chste Maschine, die den Flughafen verlassen w ü rde. Wie sich zeigte, w ü rden sie nach Frankreich beziehungsweise nach Tahiti fliegen, das mehrere Tausend Kilometer nordostw ä rts lag.
27
Tahiti ist ein Himmelreich mitten im warmen Ozean. Herma n ni Heiskari und Ragnar Lundmark quartierten sich im luxuri ö sen Strandhotel Beachcomber nahe der Hauptstadt Papeete ein. Die Zimmer befanden sich in separaten kleinen H ü tten mit Schilfdach, eigenem K ü hlschrank und Klimaanl a ge. Am Strand wiegten sich die Palmen, und weiter drau ß en vergn ü gten sich die jungen
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