Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
was einer Stadt ähnelt – oder zumindest etwas, was dem in dieser Gegend am nächsten kommt.
Die Straße ist breit und erstreckt sich über drei Ampeln, bis sie erneut im Nichts verschwindet. Da ich nicht noch mehr Zeit verschwenden will, gehe ich in das erste Geschäft, das ich sehe. Auf dem Schild draußen steht: Gifford’s Gift Shop * Notariat * Postamt, während ein kleineres Schild daneben frischgebrühten Kaffee anpreist.
Ich trete ein, wobei die Türglocke so hart anschlägt, dass die Kunden ihre Gespräche unterbrechen, sich umdrehen und mich anstarren. Beim Anblick meines zerzausten Haars, der roten Wangen und der schmutzigen Jeans machen sie große Augen.
Super. Gerade rechtzeitig zur Stoßzeit.
Ich seufze, hieve mir die Tasche über die Schulter, streiche meine Kleider glatt und reihe mich hinten in die Schlange ein. Um mich herum werden die Gespräche wieder aufgenommen, während ich mir von einem Ständer in der Nähe eine Postkarte schnappe, auf der das Wort Enchantment! groß in Pink geschrieben steht, über einem Bild dieser tristen Straße, durch die ich gekommen bin. Ich kann mir keine bessere Beschreibung vorstellen, um zu illustrieren, wie trostlos diese Stadt tatsächlich ist.
Mit dem Stift, der an einer Kette daneben hängt, kritzele ich die Adresse von Jennikas und meinem UPS-Postfach darauf und schreibe:
Liebe Jennika,
danke, dass du mich in dieses Kaff geschickt hast und dich jetzt
weigerst, meine Anrufe entgegenzunehmen.
Ich fühle mich überhaupt nicht von dir im Stich gelassen.
Nö, nicht die Bohne.
Deine liebevolle Fürsorge weiß ich voll und ganz zu schätzen.
Deine dich liebende Tochter
Daire
XOXO
Obwohl ich weiß, dass ich von hier verschwunden sein werde, ehe die Karte bei ihr ankommt, fühle ich mich nach diesem kleinen Anfall von Sarkasmus gleich besser.
Die Schlange kommt schneller voran, als ich dachte, und schon nähere ich mich dem Schalter. Ich warne mich selbst davor, auf das Regal mit den Illustrierten zu schauen, ganz egal, wie verlockend es auch sein mag, doch ich schaffe es nicht. Immer wieder wird mein Blick von dem Heft angezogen, auf dessen Cover Vane und ich abgebildet sind. Mir ist nur allzu bewusst, welch ärgerlichen Stich mir sein Abbild unverzüglich versetzt – nur dass es diesmal ein Aufflammen von Wut ist, nicht von Schwäche, und das ist doch schon ein Fortschritt.
Ich ziehe die Sonnenbrille über die Augen und senke das Kinn auf die Brust, in der Hoffnung, dass niemand den Zusammenhang zwischen mir und dem finster dreinblickenden Mädchen auf dem Hochglanzcover herstellt. Doch vermutlich ist das völlig unnötig, denn soweit ich es erkenne, sind sie vom anfänglichen Anstarren dazu übergegangen, mich zu ignorieren, wofür ich ihnen dankbar bin.
»Kann ich dir helfen?«, fragt der Mann, als ich schließlich vorne angelangt bin und mich gegen den grauen Resopaltresen lehne. Seine engen Jeans, das Westernhemd und die breite silberne Gürtelschnalle lassen ihn wie einen alten Rancharbeiter im Ruhestand aussehen. Sein abgehackter
Ostküstenakzent deutet allerdings daraufhin, dass er ein ganz anderes Leben geführt hat, bevor er hier gelandet ist.
Er summt leise und klebt eine Briefmarke auf die Karte. Schamlos liest er in aller Ruhe durch, was ich geschrieben habe, ehe er mich ansieht. »Planst du einen Gefängnisausbruch?«
Ich ziehe eine Braue hoch und frage mich, warum er es so formuliert hat.
Doch er zuckt nur die Achseln und zeigt mit dem Daumen zur Tür. »Die Bushaltestelle ist am Ende des Blocks. Der Bus nach Albuquerque geht alle zwei Stunden.« Er sieht auf die Uhr. »Zu deinem Pech ist gerade einer abgefahren, also sitzt du noch ein bisschen länger hier bei uns fest.« Er lacht auf eine Weise, dass seine Augen in einem Gewirr aus Falten verschwinden, und obwohl ich mir sicher bin, dass er es gut mit mir meint, bin ich nicht in Stimmung, mit ihm zu lachen.
Ich bezahle und gehe eilig zur Tür. Ich blinzele in die untergehende Sonne und halte Ausschau nach einem guten Versteck, damit mich Paloma nicht findet, bevor der Bus kommt.
Elf
I ch gehe die Straße entlang und passiere eine Bäckerei mit aufwändig verzierten Geburtstagskuchen, einen Secondhand-Buchladen mit einem Schaufenster voller wahllos zusammengewürfelter, eselsohriger Taschenbücher und ein Kleidergeschäft mit schiefen Kleiderbügeln, an denen die Sorte von Glitzerkleidern hängt, die ich nie im Leben anziehen würde. Ich bleibe vor dem Schnapsladen stehen
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