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Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Titel: Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maori Kunigo
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noch
beschäftigt ist, setze ich mich in den Aufenthaltsraum und lade meinen
Kamera-Akku auf. Den Internet-Euro hole ich mir über die Stromrechnung wieder.
     
    Etappe 4: Belorado — Agés (28,3
km)

Donnerstag, 3. September 2009
     
    Seit einigen Tagen fällt mir
eine Gruppe von vier deutschen Frauen auf, die permanent zusammen abhängt. Von
Melanie erfahre ich, dass es sich um eine Dreiergruppe mit Anhängsel handelt:
drei Freundinnen plus eine Pilgerbekanntschaft. Sie fallen mir deshalb auf,
weil sie allmorgendlich um Punkt sechs Uhr die Stirnlampen oder gleich die
ganze Raumbeleuchtung anwerfen, ihre Siebensachen zusammenpacken und
losmarschieren. Auch einigen anderen Mitpilgern sind die Mädels inzwischen ein
Dorn im Auge. Heute allerdings übertreffen sie sich selbst. Es ist gerade halb
sieben, als sie im Schlafsaal mit mindestens zwanzig selig schlummernden
Pilgern das grelle Deckenlicht anwerfen. Als ob das allein nicht Grund genug
wäre, beginnen die vier, sich lauthals auf Deutsch zu unterhalten. In drei
Sekunden ist der gesamte Schlafsaal wach; und natürlich stinksauer auf »die
Deutschen«. Manche bemerken einfach nicht, dass sie im Ausland immer auch als
Repräsentanten ihres Heimatlandes unterwegs sind.
    Da sich Michelle und Lory
direkt nach Burgos transportieren lassen wollen, ohne auch nur einen Kilometer
zu laufen, treten Avril, Melanie und ich die Etappe zunächst einmal als Trio
an. Das Polska-Trio wird heute ihre letzte Etappe absolvieren und bummelt
verständlicherweise, so dass Avril ohne Begleitstimmen auskommen muss. Über
eine asphaltierte Landstraße geht es im Morgengrauen ins zweieinhalb Kilometer
entfernte Atapuerca. Vor und hinter uns sind weitere Pilger unterwegs, so
vielen sind wir auf den ersten Kilometern einer Etappe noch nie begegnet.
Einige von ihnen sind heute früh in San Juan de Ortega gestartet und bereits
eine Stunde länger unterwegs als wir. Und manch einer flitzt an uns vorbei, als
ginge es um irgendetwas.
    In Atapuerca gönnen wir uns
erst einmal ein fürstliches Frühstück. Die örtliche panadería bietet
praktisch alles, was der gemeine Pilger benötigt und ist zweifelsohne die erste
Bäckerei, in der ich Damenbinden und Socken in der Auslage entdecke. Da ich mir
üblicherweise jeden Morgen zwischen neun und elf Uhr ein bocadillo reinschiebe,
verpasst mir Avril spontan einen neuen Spitznamen: Bocadillo-Man. Blöderweise
sagt sie nicht einfach »Bocadillo-Man«, nein, sie singt es. Vielleicht aus
Trotz entscheide ich mich heute für eine Schoko-Blätterteig-Rolle, natürlich
mit café con leche. Nach und nach füllt sich der Verkaufsraum, und wir
können uns glücklich schätzen, nicht zwei Minuten später angekommen zu sein.
Mein Wanderführer behauptet: »Spätestens seit den sensationellen Funden der
800.000 Jahre alten Knochenreste des >ersten Europäers<, des Homo
antecessor, im Jahre 1994, zählt Atapuerca zu den wichtigsten archäologischen
Ausgrabungsstätten der Welt.« Die wahre Hauptattraktion des Ortes scheint aber
die panadería zu sein.
    Eigentlich wollen wir hinter
Atapuerca eine Alternativroute durch die Felder gehen, aus Versehen laufen wir
aber den regulären Weg über die Straße. Kann passieren. Bald zweigt der Camino
von der Landstraße ab und folgt einem recht undefinierten, grob
ausgeschilderten Aufstieg. Vor uns liegt die Überquerung der Sierra de
Atapuerca und deren Hochebene Matagrande. Die Unebenheiten des erdigen Weges
machen Avril zu schaffen, sie kämpft mit ersten Wadenproblemen. Nicht
auszudenken, hier bei starkem Regen hochzukriechen. Aber von einem Schauer sind
wir heute weit entfernt, hinter uns klettert die Sonne unbarmherzig den Himmel
empor. Es ist gerade einmal kurz nach neun und schon ganz schön warm; könnte
ein verdammt heißer Tag werden. Der Boden aus überwiegend rotem Ton ist übersät
mit hellem Kalkstein und wölbt sich wie ein zusammengedrücktes Sofakissen. Die
Vegetation beschränkt sich auf partiellen Eichenbewuchs, so dass wir praktisch
nie im Schatten laufen. Für Melanie und mich gestaltet sich der Aufstieg
problemlos, und wir können den von Zeit zu Zeit erhaschbaren Ausblick genießen.
Goldgelb erstrecken sich die Felder über die Landschaft, und das kleine Dorf
Olmos de Atapuerca, das wir überblicken können, wirkt ein wenig verloren.
Apropos verloren: Seit Atapuerca sehen wir kaum noch andere Pilger, als hätte
das Dorf die ganze Horde von vorhin einfach verschluckt. Wahrscheinlich hängen
sie alle

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