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Vom Schlafen und Verschwinden

Vom Schlafen und Verschwinden

Titel: Vom Schlafen und Verschwinden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hagena
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und so sei sie zusammen mit dieser Quitte im See versunken, aber das stimmt nicht. Andere sagen, sie habe beim Herauskommen ihre Kinder verflucht und sich daraufhin mit ihrer Feinstrumpfhose an einer der Pappeln vor dem See, die einst ihre Einfahrt säumten, aufgehängt. Und kurz danach, so heißt es weiter, hätten sich noch zwei weitere unglückliche Frauen ihres Alters am selben Baum aufgeknüpft, auch mit ihren Strumpfhosen, von denen die eine eine Netzstrumpfhose gewesen sein soll. Die Gemeinde habe beschlossen, den Baum zu fällen, damit sich nicht noch mehr Damen in den Wechseljahren ins Verderben stürzten. Aber das stimmt auch nicht.
    Ich habe gehört, dass sich Louise Jahraus wieder anzog. Nur die Strumpfhose ließ sie liegen. Sie soll ihren Rollkoffer genommen haben und den ganzen Weg durch den Hardtwald bis in die Stadt hinein gelaufen sein. Dort hat sie sich ein großes Haus gekauft, dessen Garten sie mit vier Lastwagenfuhren Grunder Kies aufschütten ließ, bis die ganze Fläche eine Kieselwüste war, die sie unter Anweisungen eines Zen-Mönchs aus dem südlichen Schwarzwald mit einer Harke bearbeitete. Es heißt, dass auch zwei andere Damen aus dem Dorf zu ihr gezogen seien, um mit ihr zu harken, die eine davon soll in der Tat eine Vorliebe für Netzstrumpfhosen gehabt haben.

    Da die Damen ihr Hobby finanzieren müssen, betreiben sie bis zum heutigen Tage ein sehr gepflegtes Freudenhaus. Man sagt weiter, einer der Ehemänner der Damen aus dem Dorf sei Stammgast bei seiner eigenen Frau, und beide wären so glücklich wie nie zuvor.
    Benno schaute über den See.
    – Und das Gelbe da auf dem Wasser, was schlichtere Gemüter für eine Kugelboje halten könnten, ist natürlich eine Quitte?
    – Wie hast du das bloß so schnell herausgefunden?
    – Stimmt die Geschichte? Ich meine, sind für das Kieswerk Häuser geflutet worden?
    – Was meinst du damit? Die Geschichte ist auf jeden Fall wahr. Aber ob sie stimmt? Keine Ahnung, ich kann es mir kaum vorstellen.
    – Doch, vorstellen schon.
    – Na also, siehst du, was ich meine?
    – Das ist ein billiger Taschenspielertrick.
    – Trick? Du spinnst wohl.
    – Nein, nein, du. Das ist genau, was du machst, du lauerst da im Schilf und erzählst eine harmlose Geschichte, in der ich mich verfange, und dann siehst du ein bisschen zu, wie ich darin zapple, und frisst mich am Ende auf.
    – Spinnen fressen nur, was kleiner und schwächer ist als sie selbst.
    – Sag ich doch.
    – Meine Güte, ist dieser Mann kokett.
    Benno hob mich unter sehr lautem Ächzen auf den Arm und trug mich die paar Schritte ins Wasser hinein.
    – Meine Güte, keuchte er, ist diese Frau schwer.
    Er schüttelte fassungslos den Kopf und warf mich in den See.
    Das Wasser war kalt, ich tauchte auf, schnappte nach Luft.

    Benno gab sich Mühe, klein und schwach auszusehen, schleppte sich zurück zum Handtuch und brach theatralisch darauf zusammen.
    Ich drehte mich vom Ufer weg und schwamm ein Stück hinaus. Im Tiefen ließ ich mich nach unten sinken.
    Ich war früher immer mit offenen Augen getaucht, doch an diesem Tag hielt ich es kaum aus. Das Wasser an der Oberfläche war hellgrün und warm, in der Tiefe wurde es bräunlich und kalt. Ich war froh, dass ich nicht hier unten geblieben war, in jenem Sommer, als Lutz verschwand. Andreas hatte mich herausgezerrt. Trotzdem war es, als wäre ich noch ein, zwei Jahre mit Orla im Wasser wohnen geblieben, bevor ich mich endgültig entschloss, wieder an der Luft zu leben.
    Es gibt eine Wasserspinne, die sich, wenn der Winter kommt, am Grunde des Sees eine leere Muschel sucht und sie mit ihrer Atemluft auffüllt, bis die Muschel ganz leicht wird. Dann spannt sie ein Spinngewebe über den Eingang, lässt sich nach oben treiben, friert sich selbst ein und schläft, bis der Frühling kommt.
    Doch letztlich ist diese Spinne ein Landtier, das sein ganzes Leben lang unter Wasser in einer versunkenen Luftglocke verbringt. Ist das nun wundersam oder einfach bloß traurig?

15.
    Samstags, zwischendurch.
    Ob ich die Sprache der Vögel erlernen könnte? Ein Engländer hat vor ein paar Jahren die Meisensprache gelernt, ich habe es in der Zeitung gelesen. Nils Holgersson sprach mit den Gänsen und der Kalif Chasid mit den Störchen, mutabor, aber mit der hässlichen Eule konnte er trotzdem noch schäkern. Uhu, Kuckuck, Kiebitz, Girlitz, Stieglitz, Fitis, Zilp-Zalp, Krähe, Rabe, Fink, Pirol, die Vögel sprechen sich selbst. Pfau, auch er ruft seinen eigenen Namen,

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