Vom Tod verführt: Roman (German Edition)
indem du mir einen Kaffee gibst.«
Ich lachte. Ich hatte es als ein Experiment betrachtet, als ich ihn damals, als Teenager, mit Kaffee bekannt machte. Rianna und ich hatten bemerkt, dass ich mit meiner Schattenmagie den Abgrund zwischen der Welt der Lebenden und jener Ebene– welche auch immer das sein mochte–, auf der der Tod existierte, überbrücken konnte. Die einzige Fähigkeit, über die ich verfügte und sie nicht.
Rianna, zwei Jahre älter als ich, war nicht nur meine Zimmergenossin, sondern mein Idol, meine beste Freundin und meine größte Rivalin. Während ich auf der Akademie beinahe im Kurs für traditionelles Zauberwirken durchgefallen wäre, gelang ihr jeder Zauber, den ihre Lehrer ihr beibrachten– und viele, die man ihr nicht beigebracht hatte und die die Lehrer sie wahrscheinlich auch nie gelehrt hätten. Doch um den Tod sehen zu können, musste sie in Kontakt mit den Schatten sein, und selbst dann nahm er für sie keine feste Gestalt an.
Allerdings war die Tatsache, dass ich den Tod unter ganz normalen Umständen sehen konnte, auch eher ein Negativpunkt für mich. Bedeutete es doch, dass ich nie gelernt hatte, mich richtig abzuschirmen, sodass ich meinen Geist nicht davon abhalten konnte, ins Land der Toten zu wandern. Doch das kümmerte mich nicht weiter. Es war etwas, was nur ich ganz allein beherrschte. Eine Art Geheimnis zwischen dem Tod und mir. Und ich konnte sogar noch mehr, als ihn nur zu sehen: Wenn ich mit einem Gegenstand in Kontakt stand, dann war auch der Tod in der Lage, ihn zu berühren.
Eines Tages hatte ich ihm eine Tasse Kaffee gegeben. Es stellte sich heraus, dass er das Getränk mochte. Sehr sogar. Ich hätte ihn zu gern in meine Klasse mitgenommen und ihn als mein » Forschungsprojekt« vorgeführt. Vielleicht hätte ich dann auch bessere Noten bekommen. Doch er hatte es nicht erlaubt.
Ich machte zwei Tassen Kaffee für uns. Schwarz für mich, mit Milch für ihn. Erst als ich seine Tasse nahm, begriff ich, dass ich ein Problem hatte: Ich hatte nur eine gesunde Hand, die andere war verstaucht und steckte in einer Schiene.
» Hm, na ja, dann trinke ich meinen eben nachher«, meinte ich, während ich dem Tod die Tasse hinhielt.
Er legte beide Hände um die Tasse, seine Finger bedeckten meine. Die Hitze des Getränks drang in meine Hand, was in einem merkwürdigen Kontrast zu der Kälte stand, die aus seinen Fingern über meine Haut kroch. Er hob die Tasse mitsamt meiner Hand an und setzte sie an die Lippen. Mit seinen funkelnden Augen blickte er direkt in meine, während er über das dampfende Getränk blies. Sein Atem roch nach Tau und frisch gepflügter Erde und vermischte sich mit dem verlockenden Aroma des Kaffees.
» Wir können uns meine Tasse teilen.«
Ich checkte mal eben mein Herz. Okay, immer noch in meiner Brust. Dabei war ich ziemlich sicher, dass es gerade einen kleinen Hüpfer gemacht hatte.
Ich warf den Kopf zurück und krauste die Nase. » Dein verdünntes Gebräu? Nein, danke!«
Er grinste, dann zog er seine Hände weg.
Ich war zwar groß, doch er war größer. Dieser Unterschied machte es schwierig für uns, gemeinsam die Tasse zu halten, ohne dass er sich herabbeugen und ich den Arm unbequem hoch halten musste. Seine Hände legten sich um meine Taille, und er setzte mich mühelos auf die Theke. Ich schauderte, nicht nur wegen der Kälte, die von ihm ausging.
Nun, da ich auf dem Tresen saß, kamen wir besser zurecht. Er legte seine Hände erneut um die Tasse und trank einen Schluck, ohne seinen Blick von meinen Augen abzuwenden. Seine Haut war kalt, doch es war nicht die Kühle des Grabes, sondern eine unnatürliche Kälte, die brannte, wenn sie in meine Haut biss. Ich wusste, dass es bei ihm umgekehrt war: Meine Haut versengte ihn.
» Wie ist es– wolltest du mir nicht etwas über den Schützen erzählen, vor dem du mich gerettet hast?«
Er lächelte immer noch, doch irgendwie war sein Lächeln blasser geworden. Er antwortete nicht, schloss die Augen und trank erneut einen Schluck. Als er die Augen wieder öffnete, tanzten Lichter in seiner dunklen Iris. Sein Lächeln wurde wieder strahlender, als wäre es vorübergehend von einer Wolke verdunkelt worden, die nun weitergezogen war. Sein Blick glitt über mich.
Doch plötzlich war alle Heiterkeit wie weggewischt. Er zog die Brauen zusammen, ließ die Tasse los.
» Was ist passiert?« In seiner Stimme schwang kein Necken mehr. Ich sah ihn an, verstand nicht, was er meinte. Er streckte eine
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