Vom Tod verführt: Roman (German Edition)
konnte. Jede Magie. Der Obsidianring an meinem Finger glühte blaugrün, das Silberarmband, das meine Schutzzauber barg, zeigte ein Gemisch von Farben, da in den einzelnen Anhängern unterschiedliche Zauber lagen. Doch sie alle erschienen hell, klar und gesund.
Mein Blick glitt weiter. Die Kratzer auf meiner Schulter waren schwarz. Sie wirkten wie eine Leere, die den magischen Glanz absorbierte, der aus der Haut um sie herum austrat. Ich hatte noch nie so dunkle Magie gesehen. Aus den Kratzern wuchsen schwarze Ranken wie durstige Wurzeln, schlängelten sich über mein Schlüsselbein, streckten sich meinen Arm hinunter. Die Haut um die Kratzer herum war von einem ärgerlichen Purpurrot. Und noch während ich hinschaute, schob sich eine weitere Ranke aus einem der Kratzer. Sie war vielleicht zweieinhalb Zentimeter lang, und wo sie meine Haut berührte, erlosch der Glanz. Der Tod hatte recht: Dieser Zauber war böse, und er wuchs.
Ich griff nach einem vorbeischwebenden Strang grüner Energie und wickelte ihn um meine Hand. Ein Gedanke verwandelte ihn in eine grüne Blase. Ich konzentrierte mich auf den dunklen Zauber, versuchte, ihn von meiner Haut zu ziehen und in die ätherische Blase zu zwingen. So, wie ich mich auch von verunreinigter Magie befreit hätte.
Der Zauber leistete Widerstand, und ich zog fester. Rote Funken entzündeten sich in den Energiewirbeln, die mich umgaben, eine Reaktion auf meine Anstrengungen. Trotzdem gab ich nicht auf. Irgendetwas verschob sich, und um mich herum drehte sich die ätherische Ebene in Blitzen von gleißendem Rot und Orange und Schmerz.
Als die Welt zu ihrer Balance zurückfand, betrachtete ich mich erneut. Der Zauber haftete immer noch fest an mir, ich selbst jedoch schien seltsam aus dem Gleichgewicht gebracht. Ich blinzelte, schaute noch einmal hin. Als ob sich etwas in mir verschoben hätte. Doch wie kann das sein? Es konnte sein, weil… nun ja, weil der Zauber sich irgendwo in mir an irgendetwas festklammerte. An etwas, was meinen Mittelpunkt ausmachte, mein innerstes Wesen.
Ich schluckte. Ich hatte keine Ahnung, ob der Tod Magie sehen konnte, aber ich wusste, dass er etwas anderes zu sehen vermochte: Seelen.
Wenn dieser Zauber sich tatsächlich an meine Seele klammerte und an ihr sog, dann saß ich verdammt tief in der Patsche.
Ich lief in dem engen Bereich zwischen der Küchenzeile und meinem Bett auf und ab. Dreizehn Schritte brauchte ich, um von dem kastenförmigen Bett bis zur anderen Seite der kleinen Wohnung zu gelangen– beileibe nicht genug Raum, um meine Nervosität abzubauen. PC hatte sich vorsichtshalber auf sein Kissen zurückgezogen.
Ich hatte einen Heilzauber, eingewirkt in ein Wattepad, auf mein Handgelenk und die Kratzer gelegt. Nicht dass ich viel Hoffnung gehabt hätte, dass es helfen würde, aber irgendetwas musste ich einfach unternehmen.
Schließlich breitete sich in mir ein bösartiger Zauber aus und… nein, ich mochte gar nicht weiter darüber nachdenken, wozu er sonst noch in der Lage sein könnte. Denn » meine Seele aufzehren« stand schon ganz oben auf der Liste aller Möglichkeiten. Unwillkürlich rieb ich über das Wattepad.
Dann blieb ich stehen. Natürlich hatte ich bemerkt, dass die Kratzer heftiger brannten, als normal war. Und den stärksten Schmerz hatte ich in dem Lagerhaus empfunden. Bedeutet das, dass der Zauber dort irgendwie in die Wunden gesickert ist? Oder ist er doch von dem Schatten auf mich übergesprungen? Beide Möglichkeiten waren lächerlich und unwahrscheinlich. Und dennoch hatte der Tod behauptet, der Zauber gehe von den Kratzern aus, und genau das war auch mein Eindruck gewesen, als ich mich auf der ätherischen Ebene befunden hatte. Zu schade, dass der Tod mir nicht mehr verraten wollte. Verdammter Kerl, dass er immer dann verschwindet, wenn ich ihm Fragen stelle.
Okay, das war nicht fair ihm gegenüber, und das wusste ich auch. Wenn der Tod mir nicht von dem Zauber erzählt hätte, wäre ich immer noch ahnungslos. Ich wünschte nur, es gäbe eine Möglichkeit, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Die Liste meiner Fragen an ihn wurde immer länger. Vielleicht sollte ich es mal mit einer Nahtod-Erfahrung versuchen. Ich lachte, aber besonders fröhlich klang es nicht.
Es war mir nicht gelungen, den Zauber auf der ätherischen Ebene von mir zu lösen. Ich brauchte einen Gegenzauber. Im Magischen Viertel gab es ein Antifluch-Center. Dummerweise hatte ich meine Rechnung nicht bezahlt, als ich dort war, nachdem ich von
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