Vom Umtausch ausgeschlossen
an meinem rechten Fuß, die jetzt doch anfängt, richtig wehzutun. Vielleicht hatte der Typ da unten doch nicht ganz unrecht- diese Kitten-Heels sind möglicherweise nicht gerade die besten Kletterschuhe. Obwohl die Absätze auf den glitschigen Strecken wirklich nützlich sind.
Ich sehe mich in der menschenleeren, zerklüfteten Berglandschaft um. Ungefähr einen Meter von mir entfernt ist ein Felsvorsprung, und dahinter fällt der Berg senkrecht ab ins Tal.
Aber da gucke ich überhaupt nicht hin. Nicht einmal daran denken tue ich.
Hör jetzt auf, Becky! Ich werde jetzt nicht dorthin stürzen und mich über den Vorsprung schmeißen, ganz egal, was mein Gehirn versucht, mir einzureden!
Ich packe das Evian-Spray weg und sehe mich unsicher um. Ich habe keine Ahnung, wie weit es noch ist. Ich hatte mich irgendwie darauf verlassen, die anderen einzuholen und sie zu fragen. Angestrengt sehe ich nach oben, um vielleicht wieder einen der roten Anoraks zu entdecken. Aber es wird immer nebeliger.
Oh Gott. Vielleicht fängt es ja an zu regnen. Und ich habe nicht einmal eine Strickjacke mit.
Ich komme mir plötzlich ziemlich blöd vor. Vielleicht hätte ich doch nicht hier herauf eilen sollen. Vielleicht sollte ich umkehren. Versuchsweise mache ich ein paar Schritte, aber aber der Boden ist viel rutschiger, als ich dachte, und ehe ich es mich versehe, schlittere ich auch schon auf den Felsvorsprung zu.
»Scheiiiiiiiißeeeeeee!« Ich schaffe es gerade noch, mich an einem kantigen Felsen festzuhalten. Daran ziehe ich mich wieder hoch, wobei ich mir allerdings einen Armmuskel zerre.
Okay, vergessen wir´s. Runter gehe ich jetzt ganz bestimmt nicht. Ich werde weiter den Pfad hinaufsteigen. Wird schon gehen. Ich muss nur noch ein bisschen schneller gehen, dann werde ich Jess schon einholen.
Und der Aufstieg wird jede Mühe wert gewesen sein, wenn ich erst ihr Gesicht sehe!
Sie wird ihren Augen nicht trauen. Und dann erzähle ich ihr, dass wir doch Schwestern sind - und sie wird ihren Ohren nicht trauen! Sie wird absolut und total platt sein! Die Vorstellung erfüllt mich einen Moment lang mit einer solchen Freude, dass ich mich kurz darauf neu beflügelt an den Aufstieg mache.
Ich bin fix und fertig. Ich kann nicht mehr.
Meine Knie tun weh, meine Hände sind aufgescheuert, und ich habe tausend Blasen an den Füßen. Mir kommt es vor, als wäre ich schon seit Stunden unterwegs, aber dieser Scheißberg nimmt einfach kein Ende. Jedes Mal, wenn ich denke, ich habe endlich den Gipfel erreicht, taucht eine neue Felsspitze vor mir auf.
Wo ist Jess denn bloß? Und alle anderen? Die können doch nicht alle schneller sein als ich!
Ich bleibe einen Moment stehen und halte mich keuchend an einem großen runden Felsen fest. Die Aussicht über das Tal ist atemberaubend. Lila und graue Wolken schieben sich über den Himmel und hoch über mir schwingt sich ein einzelner Vogel in die Lüfte. Vielleicht ist das ein Adler oder so. Ehrlich gesagt, ist mir das auch piepegal. Ich will mich nur hinsetzen und eine Tasse Tee trinken. Ich wünsche mir nichts sehnlicher auf der ganzen Welt.
Aber das geht nicht. Ich muss weitergehen. Komm schon. Darum heißt es ja Ausdauerwanderung!
Es kostet mich einige Überwindung, den Felsen wieder loszulassen und weiterzuklettern. Links, rechts. Links, rechts. Vielleicht sollte ich es mit Singen versuchen. Genau. Das heitert mich bestimmt auf.
» Im Frühtau zu Berge wir ziehn...«
Nein. Lieber doch nicht singen.
Oh Gott. Ich kann nicht mehr. Ich kann keinen einzigen Schritt mehr tun.
Jetzt bin ich aber wirklich schon seit Stunden unterwegs. Mir ist übel und schwindelig. Meine Hände sind ganz taub, ich habe mir das Knie an einem Felsen aufgeschlagen, meinen Rock zerrissen, und ich habe keine Ahnung, in welche Richtung ich jetzt weitergehen soll.
Ich stolpere über einen Steinhaufen und kralle mich Halt suchend an einem dornigen Busch fest. Autsch. Meine Hand. Okay. Ich muss eine Pause machen. Ich setze mich auf einen flachen Stein, fummele das Evian-Gesichtsspray heraus und sprühe mir damit in den Mund.
Gott, habe ich einen Durst. Mein Gesicht ist schweißnass, und meine Lungen brennen. Meine Beine starren vor Schlamm, und von meinem linken Knie ergießt sich ein Rinnsal aus Blut über das Schienbein. Meine Schuhe sind nicht mehr zu identifizieren.
Ich sprühe mir die letzten Tropfen Evian in den Mund. Ich wische mir das Gesicht mit einem Papiertaschentuch ab und sehe mich in der verlassenen
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