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Vom Wahn zur Tat

Vom Wahn zur Tat

Titel: Vom Wahn zur Tat
Autoren: Thomas Stompe
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suchte 1993 um eine Waffenbesitzkarte an, bekam sie ohne psychologischen Test. Er kam kaum mehr zum Schlafen wegen der Belästigungen und entschloss sich schließlich, den „Krieg zu führen“. In einem Abbruchhaus am Stadtrand hielt er Schießübungen ab, um sich den Umgang mit der Waffe beizubringen. Dann, nach einem Ausflug zum Flughafen Schwechat – die aufsteigenden und landenden Flugzeuge waren zu diesem Zeitpunkt das Einzige, was ihm noch Freude bereitete, eskalierte alles. Ein Zeitungskolporteur, den er am Vortag beobachtet hatte, wie er eine junge Frau anmaßend ansprach, trat auf ihn zu. Jetzt war es so weit, es gab in seinen Augen nur mehr: er oder ich. Wolfgang S. zog seine Pistole aus der Tasche und drückte ab, das Opfer war sofort tot.
    S. sieht wohl ein, dass er eine Strafe verdient hat, da er ja einen Menschen getötet hat. Aber er hat keine Einsicht, dass er seine Tat in einem Wahn begangen hat. Er lebt heute zurückgezogen in einem Heim, erhält regelmäßig seine Medikamente. Er liest viel, stundenlang starrt er nur in die Luft.

Der Fall Walter M. – Mit dem Messer gegen Mutter und Schwester
    Dass Walter M. krank war, fiel der Familie kurz vor Weihnachten 1999 auf. Sein Zustand verschlechterte sich zusehends bis zum Tatzeitpunkt zwei Monate später kontinuierlich. Erste psychotische Erlebnisse dürften allerdings bereits im März 1999 aufgetreten sein. Damals konsumierte er massiv LSD, Amphetamine und Ecstasy. In dieser Zeit glaubte er, dass die neuartigen Erlebnisse die Folge der Drogen seien. Aber auch danach, als er nur mehr Haschisch konsumiert hatte, hätten sie, so M., angehalten. Haschisch konsumierte er immerhin seit seinem 15. Lebensjahr, damit hatte er nie schlechte Erfahrungen gemacht, auch nie Angstzustände bekommen.
    Die Psychose setzte damit ein, dass Walter M. bemerkte, dass er beobachtet wird. Er habe dies an der Art erkannt, wie man ihn ansehe oder ihn in der U-Bahn anremple. Auch sei ihm aufgefallen, dass ihm viele Schulfreunde begegneten, was er zunächst für Zufall gehalten habe. Nach und nach setzte sich bei M. die Überzeugung durch, dass dieses Beobachten einen feindseligen Charakter habe. Er habe erkannt, dass man versuche, ihm „alles Gute, das er je im Leben bekommen“ habe, wieder wegzunehmen. Ziel der Verschwörung sei es gewesen, nach Art eines Experiments auszuprobieren, was alles mit einem Menschen angestellt werden könne, bevor er Selbstmord begehe. Im Laufe der Zeit habe er immer mehr Menschen entdeckt, die an diesem Komplott beteiligt gewesen seien, bis er schließlich draufgekommen sei, dass selbst Mutter und Schwester Teil der Verschwörung seien. Er habe sich immer mehr zurückgezogen, sich nicht mehr auf die Straße getraut und sei zuletzt den ganzen Tag im Bett gelegen.
    Eine zweite Art von imaginierten Erlebnissen, die mit den ersten inhaltlich nicht verbunden sind, ist die fortlaufende Überprüfung seiner Zuverlässigkeit. Freunde hätten ihm Geschichten erzählt, nur um zu überprüfen, wem er diese weitererzählen würde. Die Überprüfung habe allerdings keinen Einfluss auf die Verfolgung gehabt. Walter M. ist überzeugt, dass die Nachstellungen auch dann nicht aufgehört hätten, wenn er sich bei einer solchen Überprüfung als zuverlässig erwiesen hätte, wobei er offensichtlich den Eindruck hat, nie bestanden zu haben.
    Zu Weihnachten 1999 kam es zu einer weiteren Zuspitzung innerhalb der Familie. Am 25. Dezember meinte der Patient plötzlich, er müsse weg, er halte es nicht mehr aus, er müsse in ein anderes Land. Er schrie herum, zerriss Geschenkgutscheine und warf sie ins WC. Walter M. ließ sich schließlich bis zum Jahresende in die Landesnervenklinik aufnehmen. In einer Vernehmung gab er später an, zum Jahreswechsel gelegentlich Kokain eingenommen zu haben. Zwischen der Entlassung und dem Anlassdelikt blieb Walter M. zu Hause. Am Ende der Weihnachtsferien wollten ihn die Eltern nach Salzburg bringen. In den Tagen vor der Abfahrt wurde er immer unruhiger. Bereits nach fünf Tagen kam er wieder nach Hause zurück. Mitte Jänner bekam er, wie die Mutter und seine Schwester, eine Grippe. Irgendetwas belastete ihn in dieser Zeit schwer, worüber er nicht sprechen wollte. Er ging dann zur Polizei und legte ein Geständnis über seine Drogenkäufe und -verkäufe ab. Danach sei er, so M., sehr erleichtert gewesen. Es stellte sich später heraus, dass er sein Geständnis mit der Hoffnung verbunden hatte, die Beobachtung seiner Person würde
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