Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns
seinen Sachen im Frühstücksraum und hat um sich herum diverse Schüsseln und Teller aufgebaut, gefüllt mit dem, was das Buffet hergibt. Er hat nicht den Anflug eines Katers und bereits wieder einen gesegneten Appetit.
Langsam komme auch ich durch, und am Ende des Frühstücks geht es mir wieder gut. Beim Zahlen erleben wir eine Überraschung. 33 Euro für jeden! So viel sollte man gerade das Zimmer inklusive Frühstück kosten. Fragend schaue ich die junge Frau an. Haben die gestern nicht aufgeschrieben, was wir alles gegessen und getrunken haben? Das kann eigentlich nicht sein. Wir sagen nichts und bezahlen.
Später ärgern wir uns, dass wir uns nicht bedankt haben. Mit Sicherheit wurden wir eingeladen, wir haben ja schließlich mit den Besitzern den ganzen Abend zusammengesessen, und die Familie hat für uns gekocht und uns bedient. Es war ja sonst niemand da.
Das ist unglaublich. Ich verbeuge mich vor all den Menschen, die uns so herzlich und selbstverständlich aufgenommen und uns ihre Achtung bezeugt haben.
Alfershausen liegt abseits unserer Route. Wir folgen zunächst einem Weg, der zu unserem Treck zurückführt.
Schon am Morgen ist es sehr warm, die Sonne brennt vom wolkenlosen Himmel direkt auf uns herab, während wir durch die Feldmark wandern. Später im Wald umfängt uns angenehme Kühle. Das gedämpfte Licht wirkt wie Balsam, beruhigt die Augen und entspannt. Für den Rest des Vormittags schützt uns das Blätterdach vor der gewaltigen Hitze und dem flirrenden Licht.
Ich bin guter Dinge. Die unglaublichen Probleme vorgestern, der Gewaltmarsch am Ende der Etappe gestern, der dicke Schädel heute Morgen – nichts ist nachgeblieben. Wiegenden Schrittes schreite ich voran, die Ferse sinkt weich in die Latexeinlage, kein Druck, kein Schmerz, keine Rückenprobleme. War’s das jetzt? Hoffentlich, ich hätte nichts dagegen! Doch bleib achtsam, Wolfgang, das Wanderleben steckt voller Überraschungen!
Auf einem Stapel Baumstämme legen wir eine Pause ein und verschnaufen. Ich lege meine Wanderuhr neben mich auf den Stamm, will die Temperatur prüfen. Die sommerliche Wärme hat sich mittlerweile auch im Wald ausgebreitet. Die Zeit fließt träge, es riecht nach Harz. Zwischen den Bäumen, dort, wo Sonnenstrahlen den Boden erreichen, flimmert das Licht wie Goldstaub, in dem unzählige Insekten hin und her flirren, wie die blinkenden, feinen Schnipsel im Danziger Goldwasser, das ich als Kind geschüttelt und gegen das Licht gehalten habe. Der frühe Sommer ist verhalten und geheimnisvoll im Wald, vorsichtig streckt er sich zwischen den Bäumen und dem Gebüsch bis in die Schatten der dunkelsten Plätze, legt sich dort über den noch winterfeuchten Grund und saugt die Nässe aus dem Boden, langsam und beständig, bis er dürr und trocken ist wie alte Haut, übersät von Reisig, braunen Tannennadeln und welken Blättern, die geheimnisvoll rascheln und knacken, wenn das Getier dort unten nach Nahrung und Feuchtigkeit sucht oder eine Windböe den Boden erreicht.
Die Stille hypnotisiert und zieht uns in ihren Bann. Der Aufbruch fällt schwer, aber es muss weitergehen.
„Wie spät ist es?“, fragt Martin nach einer Weile.
Ich schaue auf mein Handgelenk, doch da ist nichts. Verdammt, ich hab’ meine Uhr liegen lassen! Wie lange sind wir schon wieder unterwegs? Zehn Minuten? Scheiße, ich muss zurück, hinunter zum Rastplatz und dann wieder hinauf. Ätzend! Ich lasse den Rucksack bei Martin und mache mich auf den Weg. Gott sei Dank ist das jetzt passiert und nicht etliche Kilometer später. Dann hätte ich auch diese teure Wanderuhr, ausgestattet mit Höhenmesser, Barometer und Thermometer, dem Wald überlassen müssen. Am Ende hätte ich meinen Besitz an den einsamsten Stellen in Deutschland verstreut, und er würde vielleicht niemals gefunden werden.
Während ich zurückgehe, denke ich schmunzelnd daran, wie Martin seine Wanderstöcker hat stehen lassen.
Es war auf dem Weg nach Pottenstein in der Fränkischen Schweiz, auf einem Campingplatz an einem Kiosk. Wir haben uns ein Eis gegönnt, die Stöcker abgelegt und eine Pause gemacht. Dann sind wir wieder los, ich mit Stöckern und Martin neben mir her. Mir ist nichts aufgefallen, und Martin hat nichts vermisst, obwohl meine Stöcker klackerten und allgegenwärtig waren.
Plötzlich, einige Minuten später, bemerkte ich, dass er überhaupt nichts in den Händen hielt, und fragte ihn: „Martin, wo hast du denn deine Wanderstöcker?“
Erst verdutzt und
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