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Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns

Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns

Titel: Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Luehrs
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Platz nehmen, um das frische Bier, direkt aus dem Holzfass gezapft, zu trinken, derweil der Blick über grüne Auen, über hügeliges Land bis hin zu den fernen Bergen schweift.
    Wir sitzen auf einer Bank am Wegesrand. Mein Fuß nervt. Martin prokelt einen Stein aus seinem Stiefel, über den dunklen Fichten drückt ein grauer Himmel. Wir wollen jetzt nach Aystetten, um für die Nacht einzukaufen, zuvor müssen wir die A8 queren. Also los!
    Wir verlassen den Wald und laufen nun an seinem Rand entlang, rechts von uns die dunklen Fichten und linker Hand das junge Grün einer Schonung. Mein Navigationsgerät zeigt in wenigen Metern einen scharfen Abzweig nach links, einen Weg, der uns unter der Autobahn hindurchführen soll.
    Dort, wo es in die Schonung hineingeht, gibt es einen schmalen Pfad, der sich im Dickicht verliert. Wir folgen ihm. Es ist unwegsam und leicht abschüssig. Bald müssen wir jungen Tannen ausweichen, die unseren Weg versperren, und entfernen uns dabei immer weiter von dem, was man einen Pfad nennen kann. So kurven wir durchs Gelände, links, rechts, geradeaus, und verlaufen uns dabei heillos. Mir ist, als seien wir in derselben Schonung unterwegs, in der wir uns schon einmal, vor ungefähr zwei Wochen, verirrt haben. Das Gras steht so hoch, dass wir den Boden nicht mehr sehen können. Mit einem Wanderstock bahne ich uns den Weg und kann doch nicht vermeiden, dass wir lang hinschlagen und uns wieder mal die Beine an den Dornen aufreißen.
    Irgendwann gibt der Stock seinen Geist auf. Beim Aufsetzen schiebt er sich zusammen. Der Teleskopmechanismus lässt sich nicht mehr blockieren. Das Ding ist unbrauchbar geworden. 100 Euro habe ich für dieses Paar Wanderstöcke aus Karbon hingeblättert, superleicht sind sie und, wie man sieht, superempfindlich. Ich habe mich an die Dinger so gewöhnt, dass ich mir nicht vorstellen kann, mit nur einem Wanderstock auszukommen. Doch erst einmal raus hier und über die Autobahn.
    Wir stoßen auf die Böschung, hören über uns den Verkehr brausen, aber es gibt keinen Weg. Was sollen wir tun? Uns mühsam am Fuße der Böschung durch das unwegsame Gelände schlagen, bis wir eine Unterführung finden? Doch wann wird das sein und vor allem in welche Richtung sollen wir laufen?
    „Martin, ich glaub’ wir müssen umkehren, den Hang wieder hoch.“
    „Und wie soll das gehen?“
    „Wir müssen einfach der Steigung folgen und uns durchschlagen. Sind ja bislang nur abschüssig gelaufen!“
    Er antwortet nicht.
    Ich drehe um, Martin hinterher. Höre, wie er schnaubt und stöhnt, während wir uns zurückkämpfen.
    „Verschwitzt, verdreckt, verheiratet“, entfährt es mir.
    „Hä?“
    „Was ist, stimmt doch alles, oder bist du nicht verheiratet?“
    „Ich find das nicht witzig, der Weg ist Scheiße!“
    „Du kennst doch den Spruch, ,Verliebt, Verlobt, Verheiratet’!“
    „Ja!“
    Martin geht es nicht gut, wenn wir uns verlaufen. Das kenne ich inzwischen. Ich muss ihn bei Laune halten.
    „Was hältst’n davon: ,Herr Schmitz verreckt, weil er schwitzt und leckt.’“
    „Gar nichts. Niemand stirbt, wenn er seinen Schweiß leckt.“
    „Der leckt ja auch nicht seinen Schweiß. Der hat ein Leck, ein Loch, er läuft aus. Mann, jetzt gib mir Punkte!“
    „Ach so… na ja, ein Punkt.“
    „Bist aber knauserig. Zwei Punkte sind das Mindeste.“
    „Ich kann mich nicht konzentrieren, sei doch einfach ruhig.“
    Also schweige ich besser.
    Nach einer Stunde Umweg wider Willen gelangen wir verschwitzt, verdreckt und leicht verletzt auf den Forstweg zurück, natürlich an einer gänzlich anderen Stelle. Mit Hilfe der Karte auf meinem Navi manövriere ich uns über die Autobahn bis nach Aystetten, einem klinisch sauberen Vorort von Augsburg mit Vorstadtvillen, adretten Häusern, makellosen Bürgersteigen.
    Der Edeka-Laden hat heute am Dienstag geschlossen. Liegt das an uns, dass so viele Gasthäuser und Lebensmittelläden dichthaben? Haben die Bayern Angst vor uns Fischköppen und schließen ihre Häuser, wenn wir kommen? So oft schon standen wir vor verschlossenen Türen. Die Versorgung bei einer Weitwanderung durch Deutschlands ländlichen Raum ist ein echtes Problem. Das hat uns ja auch gestern gerade jemand erzählt.
    Vor einer Bäckerei an der Hauptstraße lassen wir uns an einem Tisch nieder. Jetzt erst mal Kaffee und Kuchen ordern und dann überlegen, was wir machen wollen. Wir sitzen direkt am Schaufenster auf dem Bürgersteig, zwei Meter von der Straße entfernt. Grauer

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