Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns
auch die Hubschrauber der Polizei keine Chance haben.
Ich bin tatsächlich auf einer Wanderung einmal ganz offensichtlich abgewiesen worden. Ich war mit meinem älteren Bruder unterwegs. Es hat den ganzen Tag geregnet, und wir sahen nicht gut aus, wie wir dort in der kleinen Hotelhalle standen: die Schuhe verdreckt, die Klamotten klitschnass. Nach eingehender Musterung wollte die Person hinter dem Empfangstresen den Chef entscheiden lassen. Es dauerte und dauerte, und schließlich bekamen wir eine Abfuhr. Wir liefen dann frustriert und erschöpft in den Abend hinein, ohne auch nur einen weiteren Hinweis, geschweige denn irgendeine Unterstützung zu erhalten. So was tut man einfach nicht!
Wenig später schlucken uns Augsburgs Westliche Wälder. Es ist bedeckt und dröppelt leicht vor sich hin. Bin mal gespannt, ob wir unseren ersten Regentag kriegen.
Wir laufen durch eine endlose Fichtenwüste. Ein Baum gleicht dem anderen. Dicht an dicht stehen die dünnen, hohen Stämme, nur an ihrem äußersten Ende mit grünen Zweigen behaftet. Darunter ist alles verdorrt und der Boden übersät mit vertrockneten, braunen Nadeln und totem Geäst. Abweisend, dämmrig und feucht ist es hier unten, wie in einer Gruft.
Lustlos stapfen wir dahin und wollen nicht so recht glauben, dass wir in einem Naturpark unterwegs sind. Ich weiß gar nicht, was hier eigentlich geschützt werden soll. Die Fichten vielleicht, sonst gibt’s ja nichts. Diese armen, dürren Bäumchen, die aussehen, als wenn sie frören und so dicht beieinander stünden, um sich zu wärmen und zu stützen.
Und dann sind sie doch alle umgefallen. Hinweggerafft von einem Sturm, der hier gewütet hat. Ein riesiges Areal ist davon betroffen, eine Schneise, die den Wald spaltet. Gegenüber liegt sein Inneres bloß, eine offene Wunde, in der die Stämme sich wie blanke Rippen aneinanderreihen. Dieser Wald ist krank und leidet, und stumm ist er auch. Kein Wispern, kein Flüstern, kein Atmen, nur das hässliche Gesicht trostloser Monotonie, und weil es so schaurig ist, schaut man lieber weg.
Vor uns liegt ein Gehöft. Der Weg führt mitten hindurch.
Wenig später ein Schild mit dem Hinweis: „Vorsicht, freilaufender Hund, wir wünschen Ihnen einen glücklichen Weg“.
Was soll das denn? Ist das ein Scherz, eine Warnung vor einem bissigen Hund oder blanker Zynismus!?
Irritiert gehen wir weiter, vielleicht 20 Meter, und dann kommt doch tatsächlich ein Köter auf uns zu. Knurrend – nicht schnell, aber zielstrebig, die Rute steil nach oben gerichtet.
Wir lassen ihn nicht aus den Augen, gehen langsamer. Er fängt an zu bellen, fletscht die Zähne und kommt näher. Wir werden unsicher. Plötzlich macht der Köter einen Bogen und trollt sich hinter uns, schleicht sich nun von hinten mit wütendem Gebell an. Ich bekomme weiche Knie und greife vorsichtig nach meinem Pfefferspray, entsichere und bin bereit. Da entdecke ich im Garten, links vom Weg, eine Frau in einer Kittelschürze. Sie streckt uns ihr Hinterteil entgegen, das gerade noch von der Schürze bedeckt wird. Darunter ragen zwei fleischige Schenkel hervor, mit Waden wie Brotlaiber. Mehr kann ich nicht erkennen. Sie hat sich gebückt.
„Hallo! Hören Sie das nicht? Holen Sie doch mal Ihren Hund zu sich! Der fällt uns gleich an!“, schreie ich hinüber.
Sie richtet sich auf und antwortet teilnahmslos: „Gehen Sie langsam, immer langsam weitergehen“, und wendet sich wieder ihrer Arbeit zu.
„Was soll denn das! Wollen Sie uns umbringen?“
Der Hund kläfft nach wie vor wütend und folgt uns dicht. Ich spüre seinen Atem, doch sage nichts mehr, sonst bläst sie noch zum Angriff. Steif marschieren wir weiter. Sie schaut noch einmal kurz auf, als wir an ihr vorbeikommen, und ich blicke in böse Augen, in ein kaum wahrnehmbares, gehässiges Grinsen, in ein fleischiges, konturloses, von Boshaftigkeit gezeichnetes Gesicht. So kommt es mir jedenfalls vor, und es passt auch zu der zynischen Bemerkung auf dem Schild.
„Fahr zur Hölle, Hexe“, presse ich, mühsam mich zurückhaltend, hervor. Meine Empörung ist grenzenlos, und ich fühle mich unglaublich gedemütigt. Dieses Weib scheint sich an unserer Angst zu weiden, sonst würde sie ja den Hund zurückhalten. Müssen wir darunter leiden, dass hier ein öffentlicher Weg entlangführt?
Endlich bleibt der Köter zurück, und aus gesicherter Entfernung werfe ich einen Blick auf den Hof und nehme erst jetzt den unangenehmen Geruch wahr. Irgendwie passt das alles
Weitere Kostenlose Bücher