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Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns

Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns

Titel: Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Luehrs
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in der unsere Wirtin zugange ist. Die Tür steht offen. Wenig später bringt sie Kaffee, Brötchen, eine Wurst- und Käseplatte – reichlich von allem, inklusive selbstgemachter Marmelade. Der Huckerwirt tritt aus der Küche, lehnt sich gegen den Türpfosten und fängt eines dieser anstrengenden Gespräche an, bei denen man eigentlich nur zuhören kann, weil man sonst nicht zum Essen kommt. Aber er fragt auch, und das ist lästig. Martin antwortet sowieso nicht, weil er isst. Ich will ja auch essen, aber einer muss antworten. Also mache ich es, das Brötchen in der einen Hand, die Tasse Kaffee in der anderen. In dieser Stellung verharrend, höre ich zu, entgegne etwas, lege schließlich das Brötchen ab, stelle die Tasse auf den Tisch und lehne mich innerlich seufzend zurück. Als ich dann trinke, ist der Kaffee kalt.
    Wir brechen auf, bedanken uns für die freundliche Bewirtung und steigen den Kirchberg hinab. Vor uns liegt der Gasthof, den wir gestern Abend zuerst aufgesucht haben, und nun sticht mich der Hafer. Der Ärger über die Abweisung kommt wieder hoch. Ich will Genugtuung. Martin ist das gar nicht recht, er will weiter und keine zusätzlichen Unannehmlichkeiten. Recht hat er ja, aber ich kann mich nicht beherrschen.
    Der Gasthof hat geschlossen, aber im linken Teil des Gebäudes befindet sich eine Fleischerei. Eine hochaufgeschossene, braungebrannte Frau, eine Lady, steht hinter der Theke und sieht uns fragend an.
    „Gehören Sie zur Gastronomie?“, frage ich sie.
    „Nein, wir haben den Laden gepachtet und sind selbständig.“
    „Wissen Sie, wir würden gern mit dem Besitzer sprechen.“
    „Was wollen Sie denn?“
    „Wir sind für ein Reisemagazin auf Wanderung und wollen einfach ein paar Erkundigungen einholen.“
    „Warten Sie, ich rufe eben durch.“
    Sie telefoniert, spricht mit jemandem, legt wieder auf und wendet sich uns erneut zu.
    „Der Wirt ist nicht da, aber Sie können mit seiner Frau sprechen. Gehen Sie ums Haus herum, dort werden Sie erwartet.“
    Gesagt, getan. In der Tür stehend empfängt uns die Frau.
    „Guten Tag. Wir sind Fernwanderer und kommen zu Fuß aus Hamburg. Wir schreiben für ein Reisemagazin. Sind Sie im Augenblick ausgebucht?“
    Sie zögert.
    „Wieso, warum wollen Sie das wissen? Wollen Sie hier übernachten?“
    „Gestern wollten wir, hatten aber den Eindruck, abgewiesen worden zu sein.“
    Martin fummelt an seinen Stöckern herum. Ihm ist das offensichtlich äußerst peinlich, und er sagt keinen Ton.
    „Wenn das so war, dann hatte das seinen Grund“, antwortet sie scharf. „Wir sind ausgebucht und haben außerdem die Monteure im Haus.“
    Ich kann einfach nicht aufhören, muss noch einen drauflegen.
    „Gestern war doch Montag. Es sind keine Ferien und Autos habe ich auch nicht gesehen!“
    „Also, das ist jetzt unverschämt. Sie kommen daher und behaupten, wir würden Wanderer abweisen. Das ist der Gipfel, so etwas ist mir noch nicht passiert. Schreiben Sie doch, was Sie wollen!“
    „Ich sage doch nicht, dass Sie uns abgewiesen haben, sondern nur, dass wir den Eindruck hatten, dass es so war. Aber, wenn Sie sagen, dass wir uns irren, dann ist das eben so, und wir müssen es hinnehmen. Es gibt für einen Wanderer eben nichts Demütigenderes, als am Abend davongejagt zu werden, zumal dann, wenn keine weitere Übernachtungsmöglichkeit in der Nähe liegt. Ich habe das einmal erlebt, und es war bitter, weil wir noch sieben Kilometer weiterziehen mussten!“
    „Aber wir sind hier doch nicht der einzige Gasthof. Oben an der Kirche gibt es noch einen, da ist sowieso nie was los.“
    „Das hat uns Ihr Mann gestern auch erzählt, und da sind wir dann auch hin und unglaublich freundlich aufgenommen worden. Aber nun wollen wir weiter. Bitte entschuldigen Sie die Störung und vielen Dank für die Zeit, die sie sich genommen haben.“
    Sie knallt die Tür zu, und das war’s. Ein fader Nachgeschmack bleibt, ich bin mir nicht sicher, was stimmt.
    Martin muss ich nun erst einmal beruhigen. Nach wie vor findet er meinen Auftritt ziemlich unpassend.
    „Was ist, wenn die uns jetzt anzeigt und die Polizei auf den Hals hetzt!“
    „Martin, irgendwie hast du ja recht. Es ist nichts dabei herausgekommen. Aber ich war doch nicht unhöflich und habe sie auch nicht beschuldigt. Da kann ja jeder jeden anzeigen. Außerdem fand ich das mit dem Reisemagazin einen richtig guten Einfall.“
    Martin beschleunigt seinen Schritt. Er will in die Wälder, wo uns keiner sehen kann und

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