Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns
physischen, psychischen und geistigen Verschiedenheit – letztlich für das betroffene Volk ebenso schrecken- und todbringend wie der Faschismus, ob unter Stalin in Russland, Pol Pot in Kambodscha oder Mao Tse-tung in China. Dieser groteske Personenkult, diese hohlen, allgegenwärtigen Spruchbänder und Parolen, diese uniformierten Massenaufmärsche bei Großveranstaltungen vor den Marionetten des Systems und diese fanatischen, emotionsgeladenen Phrasen ihrer Despoten sind absurd und nur möglich, weil jeder Widerstand aufs Grausamste verfolgt wird.
Auch das Christentum hat mit dem Anspruch, Besitzer der einzig wahren Religion zu sein, gemordet, Kriege geführt, gefoltert und geschändet. Ebenso wie heute der Islam mit seiner kompromisslos kriegerischen Interpretation des Dschihad für politische Zwecke missbraucht wird und unschuldige Menschen in den Tod bombt, indem den todbringenden Selbstmordattentätern vorgaukelt wird, sie seien Kämpfer für die Sache Gottes und würden im Paradies für ihr Opfer belohnt werden: mit Jungfrauen, die ihnen zu Willen sind, und immerwährender Glückseligkeit. Selbstmord und das Töten Unschuldiger sind andererseits im Koran ausdrücklich verboten und geächtet, ebenso wie das fünfte Gebot der Christen fordert: „Du sollst nicht töten.“ Warum nur lässt der eine Gott, an den man glaubt, der allmächtig und allwissend ist, der liebende und gerechte Vater, das Töten der Menschen untereinander zu? Ich weiß darauf keine Antwort und habe auch noch nie etwas Überzeugendes dazu vernommen, außer dass eine machtbesessene Obrigkeit seinen Namen und angeblichen Willen immer wieder als Mittel zum Zweck ihrer irdischen Ziele missbraucht und aus den heiligen Büchern – herausgerissen aus dem Zusammenhang – das zitiert, was den eigenen, menschenverachtenden Zwecken dient.
Zwei Kilometer vor Scheßlitz, in Burgellern, passieren wir ein Schloss, das zu einem Hotel umgebaut worden ist. Auf der Wiese davor steht in lockeren Gruppen eine Hochzeitsgesellschaft, die Braut im langen, weißen Kleid und einem Kranz in ihren hochgesteckten Haaren. Ob man hier wohl übernachten kann? Ich lenke meinen Schritt zum Eingang des Schlosses und gerate dabei unter die Hochzeitsgäste, da sich der gesamte Trupp ebenfalls in Richtung Eingang in Bewegung gesetzt hat. Zusammen mit der Braut überschreite ich die Torschwelle. Niemand stört sich daran oder wundert sich über mein Outfit. Ein breiter, hoher Gang bildet den Eingangsbereich. Die Hochzeitsgesellschaft entfernt sich, während ich unschlüssig stehen bleibe. Inzwischen ist Martin mir gefolgt, und wir peilen gemeinsam die Lage. Hinter uns führt eine Steintreppe nach oben. Niemand würde uns daran hindern hinaufzugehen. Aber wir müssen erst mal mit jemandem reden, die Preise in Erfahrung bringen und dann entscheiden. Im Park treffen wir auf den Besitzer.
„Kann man hier übernachten?“, frage ich ihn.
„Im Prinzip schon. Den Preis wollt ihr aber nicht wirklich zahlen.“
„Na, wie viel?“, frage ich weiter.
„90 Euro – für jeden!“, entgegnet er.
„Waaas? 90 Euro für jeden? Für uns beide zusammen, für zwei Deutschlandwanderer, das wäre okay“, versuche ich ihn zu erweichen.
Aber er lässt sich nicht beeindrucken und schickt uns in die nahe gelegene Stadt, wo wir sicher ein Zimmer kriegen würden. Immerhin dürfen wir durch seinen Park und Garten laufen. Dort am Ende befindet sich ein kleine Pforte, hinter der sich ein schmaler Pfad entlang des Leitenbaches schlängelt und unter der Autobahn hindurch in die Stadt führt. Abends um acht checken wir endlich im Gasthof Krapp ein.
Eine traumhaft schöne Etappe geht zu Ende. Geschafft und glücklich sitzen wir im Biergarten und feiern uns und den Tag des Bieres. Zunächst mit einem Weißbier, dann mit einem halben Liter Hübnerbräu – einem halbdunklen Bier – und schließlich mit einem Bockbier aus einer Brauerei in Scheßlitz. Natürlich essen wir auch. Ich gönne mir Spargel mit Hühnerbrust und Petersilienkartoffeln und Martin sich eine Spargelsuppe, anschließend einen Salat und als Hauptgericht eine Hammerportion Rostbraten mit Gemüse und Kartoffelspalten. Er pumpt sich all das wieder rein, was er heute an Pfunden weggetreten hat, und wird am Ende wie ein aufgeblasener Ballon in sein Zimmer schweben. Aber er ist gut gelaunt.
Beschwipst und fröhlich verbringen wir den Abend, bis uns die Erschöpfung ins Bett treibt. Ich glaube, ich bin mit einem Lächeln
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