Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns

Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns

Titel: Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Luehrs
Vom Netzwerk:
Schonung traf. Das Gras stand hoch und war von der sengenden Sonne dieses Sommers braun und trocken. Er zündete den Haufen an und bewachte das Feuer mit einer Forke. Die Flammen schlugen hoch, über dem Feuer zitterte die Luft, Funken schossen in die Höhe, verglimmten, es knackte und prasselte. Wir hielten Stöcker in die Glut, wichen vor der unerträglichen Hitze zurück und freuten uns diebisch, wenn wir für einen Moment eine Fackel in der Hand hielten. Eine Mischung aus Respekt und Lust schauerte über unsere Rücken. Plötzlich rief meine Mutter meinen Vater aus unserem nahe gelegenen Haus zu sich. Er musste ans Telefon. Mein Bruder bekam die Forke und hatte den Auftrag, den brennenden Haufen zu bewachen. Eine Weile standen wir unschlüssig herum, dann packte uns die Lust am Zündeln. Nur mal für einen kurzen Moment ein bisschen Feuer an die Wiese legen, ganz am Rande, um zu sehen, wie die Flammen das Gras fressen und dabei tanzen und zucken, auf und ab, hin und her, und dann ganz schnell mit unseren Füßen den Brand wieder löschen.
    Es dauerte nicht lange, und mein Bruder und ich hielten jeder ein brennendes Stöckchen an die Halme, die sofort Feuer fingen. Unglücklicherweise frischte der Wind in Richtung Schonung auf und trieb erbarmungslos die Flammen vor sich her – mit einer Geschwindigkeit, die uns in Angst und Schrecken versetzte. Der Brand wurde immer breiter und raste als Feuerwalze auf die Kiefern zu.
    „Papa, Papa, es brennt. Komm schnell“, schrien wir voller Angst und liefen panisch zum Haus.
    Die Tür flog auf, Vater und Mutter stürzten heraus und erstarrten, geschockt von der Katastrophe, die sich da anbahnte. Dann ging alles ganz schnell. Nachbarn, mit Schaufeln und Spitzhacken bewaffnet, eilten herbei und versuchten, der Lage Herr zu werden. Doch das Flammenmeer erreichte die Schonung, bäumte sich auf zu einer riesigen Mauer und stürzte über das Wäldchen her. Meterhoch schlugen die Feuerzungen, schwarzer, dichter Rauch stieg weit in den Himmel. Im Dorf heulte auf dem Schuldach die Sirene, und die freiwillige Feuerwehr rückte an.
    Gott sei Dank ging die Schonung nicht direkt in den großen Wald über, der sich hinter unserem Haus kilometerweit erstreckte – ein breiter Sandweg lag dazwischen.
    Erbärmlich stakten die verkohlten, jungen Bäume in den Himmel, nur wenige überstanden den Angriff.
    Am nächsten Tag stand mit dicken Lettern in der Zeitung: „Pastors Söhne zünden Wald an“. Uns war das unglaublich peinlich, und wir schämten uns. Zur Strafe mussten wir Steine auflesen, die auf dem Kirchplatz zu abertausenden herumlagen, und zu einem Haufen zusammentragen – einen ganzen langen Samstag lang. Die Kirche stand direkt neben unserem Haus, so dass wir wenigstens vor hämischen Bemerkungen sicher waren. Das hätten meine Eltern auch niemals zugelassen.
    Wir durchlaufen einen kleinen Ort, wandern einen Hügel hinauf und durch einen Hohlweg wieder hinab nach Gnadenberg. Diesen Namen hätte auch der Hügel verdient – kaum angestiegen, waren wir auch schon oben. Eine Wohltat nach der anstrengenden Kraxelei am gestrigen Tage.
    Nun sitzen wir auf einer Bank, die auf einem sauber gemähten, saftig grünen Rasen aufgestellt ist, der von einem Kiesweg umschlossen wird. Daneben mahnt ein hohes Kreuz aus frischen Balken mit einem hölzernen Jesus den Wanderer. Blitzsaubere Blumenrabatten runden das Ensemble ab. Ein Ort der Einkehr und Andacht, wenn da nur die Autobahn nicht wäre – 30 Meter vor uns; wir blicken direkt darauf und auf das große, blaue Abfahrtsschild: Oberölsbach, Berg, Sindlbach – 1000 Meter.
    Es ist die A3 von Nürnberg nach Regensburg, und sie veranstaltet einen Lärm, als ob sie den Herrn Jesus vom Kreuz vertreiben wolle. Der Sinn und Zweck dieses schmucken Rastplatzes an dieser Stelle erschließt sich uns nicht. Vielleicht ist das ganze ja ein Projekt, eine theologische Installation: „Der Glaube siegt über alle Technik“ oder „Denke daran, wie gefährlich das Leben ist und wie vergänglich“. Mit irgendeinem Hintergedanken muss der Platz ja hier angelegt worden sein, aber manchmal wiehert auch der Amtsschimmel.
    Lange verweilen wir nicht, es ist zu heiß. Wir tragen Sonnenschutzmittel auf und traben weiter. Der Weg entfernt sich im rechten Winkel von der Autobahn und steigt sanft an. Noch lange hören wir über die Felder das Rauschen des Verkehrs. Erst als wir in einen Wald eintauchen, verstummt es. Das dämmrige Licht mit seinen glitzernden

Weitere Kostenlose Bücher